Allerhöchste Handschreiben  
in Bezug auf das am 20. Oktober 1860 gegebene Oktober-Diplom
 

1. die Umgestaltung des Reichsrathes betreffend:

Lieber Graf Rechberg.

Im Nachhange Meines heute veröffentlichten Diploms zur Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse der Monarchie, habe Ich die Zahl der von den Landtagen zu entsendenden Reichsräthe auf hundert zu erhöhen befunden.

Die Vertheilung derselben auf die einzelnen Länder hat im Verhältnisse der Ausdehnung, Bevölkerung udn Besteuerung derselben zu geschehen.

Die hierauf bezüglichen Bestimmungen, ebenso wie alle Veränderungen und Modifikationen, welche in den früheren, den Reichsrath betreffenden Patenten und Erlässen durch Meine seither veröffentlichten Entschließungen eingetreten sind, sind in einem organischen Reisraths-Statute zusammenzufassen und Meiner Genehmigung zu unterbreiten.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

 

2. die Umgestaltung der Ministerien betreffend:

Lieber Graf Rechberg.

Im Zusammenhange mit Meinen heute erlassenen Entschließungen über die definitive staatsrechtliche Gestaltung Meiner Monarchie, finde Ich Mich bewogen, die Ministerien des Innern, der Justiz und des Kultus als allgemeine Centralbehörden aufzuheben, indem Ich gleichzeitig Meine königlich ungarische Hofkanzlei und Meine siebenbürgische Hofkanzlei wieder herstelle und die oberste Leitung der administrativ-politischen Angelegenheiten der anderen Länder der Monarchie einem Ministerium zuweise, welches den Namen "Staatsministerium" und dessen Chef den Titel "Staatsminister" zu führen hat.

Mein ungarischer Hofkanzler ist Mitglied des Ministerrathes.

Die administrativen Angelegenheiten des Ministeriums für Kultus und Unterricht werden dem Staatsministerium und den betreffenden Kanzleien zugewiesen. Doch soll gleichzeitig ein Rath des öffentlichen Unterrichts gebildet werden, welcher die wissenschaftlichen und didaktischen Aufgaben zu verhandeln und zu vertreten haben und Meinem Ministerrathe ebenso wie allen administrativen Behörden in dieser Beziehung als Beirath zu dienen haben wird.

Hinsichtlich der Justiz-Angelegenheiten und Rechtssprechung in Meinem Königreiche Ungarn bin Ich entschlossen, die königliche Kurie unter Vorsitz des Judex Curiae in Pest wieder einzusetzen, für Meine übrigen Länder aber, unter thunlichster Beschränkung die Appellation auf zwei Instanzen, einen Kassationshof in Wien zu bestellen, dessen Präsident im Ministerrathe die Interessen und den Standpunkt der Justiz zu vertreten haben wird. Die Vertretung der ungarischen Justiz-Angelegenheiten hat im Ministerrathe auf Grundlage der Anträge des Judex Curiae, durch Meinen ungarischen Hofkanzler zu geschehen.

Die Vertretung der volkswirthschaftlichen und Handelsangelegenheiten der Monarchie wird in Meinem Ministerrathes durch einen Handelsminister stattfinden. Über den Wirkungskreis desselben, der kein eigentlich administrativer zu sein hat, behalte ich Mir Meine Entschließungen vor.

Bis zur definitiven Durchführung der neuen Organisation haben die Geschäfte in gewohnter Weise fortgeführt zu werden.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

3. die zu erlassenden Landesstatute betreffend:

Lieber Graf Goluchowski.

Nachdem Ich durch Meine Entschließungen vom heutigen Tage die Grundsätze ausgesprochen habe, nach welchen von nun an durch die Landtage und den Reichsrath alle Länder Meiner Monarchie an den Angelegenheiten der Gesetzgebung mitzuwirken haben, beauftrage Ich Sie, Mir unverweilt die Entwürfe für die auf dieser Grundlage zu erlassenden Landesordnungen und Statute zu unterbreiten.

Sie haben dabei zur unabänderlichen Richtschnur zu nehmen, daß in den Landtagen alle Stände und Interessen jedes einzelnen Landes in angemessenem Verhältnisse vertreten werden, damit auf diese Weise die Rechte und Freiheiten der getreuen Stände Meiner Länder nach den Verhältnissen und Bedürfnissen der Gegenwart entwickelt, erweitert und mit den Interessen der Gesammtmonarchie in Einklang gebracht werden. Insbesondere haben die Landesordnungen und Statute den betreffenden Ländern das Recht zu sichern, bei der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt in Betreff jener Gegenstände mitzuwirken, welche zur Competenz der Landtage gehören; ferner das Recht, sich in allen, die Bedürfnisse und die Wohlfahrt des Landes betreffenden Gegenständen an Mich zu wenden, Wünsche und Anträge unmittelbar oder mittelbar vorzubringen, über die kundgemachten gesetzlichen Anordnungen und Einrichtungen, in Beziehung auf ihre besondere Einwirkung auf das bezügliche Land, Anträge zu stellen, über besondere Landesangelegenheiten zu berathen und Beschlüsse zu fassen, über die Aufbringung der für innere Landeserfordernisse nöthigen Mittel zu beschließen, deren Verwendung zu controliren und mit dem Landesvermögen selbstständig zu gebahren. Nach Erlassung und Verkündigung der Landesordnungen und Statute haben Sie Mir hinsichtlich des Zeitpunktes der einzuberufenden Landtage unverzüglich Ihre Anträge zu stellen.

Ich beauftrage Sie ferner, in kürzester Frist die Anträge zur Durchführung des Grundsatzes der Trennung der Justiz von der Administration, die Entwürfe über die Gemeindeordnungen und die Gutsbezirke und die Einrichtungen der Selbstverwaltung in Kreisen und Bezirken ausarbeiten zu lassen und Meiner Entscheidung zu unterziehen.

Sie haben die Veröffentlichung und Kundmachung der, im Einklange mit den obigen Grundsätzen, von Mir genehmigten Landesordnungen und Statute für Meine Herzogthümer Steiermark, Kärnten, Salzburg und Meine gefürstete Grafschaft Tirol einzuleiten.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

4. die Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse Ungarns betreffend:

Lieber Freiherr von Vay (der an diesem Tag zum Ungarischen Hofkanzler ernannt worden war).

Indem Ich im Sinne Meines heute erlassenen Diploms und zur Regelung der inneren staatsrechtlichen Verhältnisse der Monarchie die verfassungsmäßigen Institutionen Meines Königreichs Ungarn wieder ins Leben rufe, haben Sie Mir über den Zeitpunkt der Einberufung des Landtages, den Ich möglicht beschleunigt wissen will, Ihre Anträge zu stellen, da es Meine Absicht ist, die definitive Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse Meines Königreiches Ungarn je eher im Sinne der Gesetze durch Erlassung eines Diplomes und durch Meine Krönung zu besiegeln.

Es hat für die Zukunft der althergebrachte Grundsatz des ungarischen Staatsrechtes, daß die gesetzgebende Gewalt, d. i. das Recht, Gesetze zu geben, abzuändern, auszulegen oder aufzuheben, nur von dem gesetzlichen Landesfürsten in Gemeinschaft mit dem Landtage ausgeübt und außerhalb desselben nicht zur Geltung gebracht werden soll, in Meinem Königreiche Ungarn rücksichtlich der Competenz des ungarischen Landtags mit alleiniger Ausnahme jener Gegenstände wieder in Wirksamkeit zu treten, über deren Behandlung durch den Reichsrath Mein heute veröffentlichtes Diplom die bezüglichen Bestimmungen enthält.

Indem Ich für die Einberufung des nächsten ungarischen Landtages die durch den Gesetzartikel 1608 p. c. in Betreff der Form und Art seiner Zusammensetzung festgestellten Bestimmungen mit Berücksichtigung der einzelnen Corporationen seither durch spätere Gesetze verliehenen speciellen Beschickungsrechte zur Grundlage genommen wissen will, und in Betreff der unverkennbar nothwendigen und durch wiederholte Landtagsbeschlüsse und Gesetze vorbehaltenen definitiven Organisation des Landtagskörpers die Berathung an den ersten ungarischen Landtag verweise; ist es dennoch Mein fester Wille, nach Aufhebung der Privilegialstellung des Adels, Einführung der Ämter- und Besitzfähigkeit für alle Klassen ohne Unterschied der Geburt, nach Beseitigung der bäuerlichen Frohnen und Leistungen, ebenso wie im Sinne der Einführung der allgemeinen Wehr- und Steuerpflicht unter dem von Mir für den nächsten Landtag provisorisch festzustellenden Bestimmungen, in früherer Zeit nicht wahlberechtigte Klassen Meiner Unterthanen des Königreiches Ungarn an den Landtagswahlen Theil nehmen zu lassen, in dem Ich die diesen Klassen durch die Gesetzartikel VIII., IX., X. und XIII. des Landetages 1847/48 zugesprochenen Rechte neuerdings anerkenne und bestätige, in Betreff der übrigen an diesem Landtage gebrachten Gesetze aber, die mit Meinem heute erlassenen Diplom und Meinen Entschließungen im Widerspruche stehen, die landtägliche Revision und Aufhebung vorbehalte.

Um Meine Entschlüsse über die provisorische Wahlordnung gehörig vorzubereiten, hat je eher unter dem Vorsitze des Kardinal-Primas von Ungarn eine Berathung in Gran zusammenzutreten, welche mit Männern einzuleiten ist, die durch amtliche oder bürgerliche Stellung, Talent, geleistete öffentliche Dienste und öffentliches Vertrauen hervorragen, und hinsichtlich welcher mit Bezug auf die Zahl und die Personen der zu derselben beizuziehenden Mitglieder Sie sich mit dem Primas in das Einvernehmen zu setzen und Mir Ihre beiderseitigen Anträge zu unterbreiten haben. Diese Kommission hat Mir im Wege meienr ungarischen Hofkanzlei ihre Vorschläge zu unterbreiten, indem Ich mir vorbehalte, derselben die Fragen, welche hinsichtlich eines provisorischen Wahlgesetzes für den nächsten Landtag zu lösen sind, näher bezeichnen zu lassen. Insbesondere wird sie mit Rücksicht auf die anerkannte Unzulänglichkeit der früheren landtäglichen Stellung der königlichen Freistädte im Sinne wiederholter königlicher Propositionen und des Landtagsbeschlusses vom Jahre 1843/44 schon für den nächsten Landtag ihre Anträge zu stellen haben.

  Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

Das Ziel des Kaisers konnte nicht erreicht werden, dass die Gesetze des Jahres 1848 grundsätzlich nicht anerkannt werden sollten, und nur die Bestimmungen über die Grundentlastung beibehalten werden sollten. Die erwähnte Konferenz von ungarischen Vertrauensmännern in Gran war auf den 1. Dezember 1860 einberufen, welche die ungeschmälerte Wiederherstellung aller Gesetzesartikel des Jahres 1848 samt dem Gesetzartikel V über die Wahlen zum Unterhaus verlangte, was von der Krone dann schließlich aus gewährt wurde.

 

5. die politische Verwaltung Ungarns betreffend:

Lieber Freiherr von Vay.

Indem Ich im Sinne Meiner heute veröffentlichten Entschließungen die verfassungsmäßigen Institutionen Meines Königreiches Ungarn und die diesem Lande von Altersher auf Grundlage mannigfacher Gesetze, Diplome und Zusicherungen zukommende politische und Justizverwaltung wiederherstelle und gleichzeitig im Sinne des Artikels XI. vom Jahre 1741 für die Behandlung und Vertretung der ungarischen Angelegenheiten durch Ungarn in Meinem Gesammtministerium Sorge trage, haben Sie Mir in Betreff der Besetzung der Stellen des obersten Landrichters und des Tavernicus unverzüglich Ihren Vorschlag zu unterbreiten.

Insolange kein Statthalter für Ungarn ernannt wird, hat der Tavernicus das Präsidium der Statthalterei zu führen und die Leitung der ganzen politischen Administration zu übernehmen.

Für die innere Verwaltung des Landes wird die königliche Statthalterei im Sinne der Artikel XCVII., XCVIII., CI., CII vom Jahre 1723 unter Beachtung der für alle Klassen der Staatsbürger durch den Artikel V. vom Jahre 1843/44 ausgesprochenen Ämterfähigkeit wiederherstellt, über deren Organisation im Sinne der Artikel XIV. und XVII. vom Jahre 1790 Mit die Anträge mit möglichster Beschleunigung vorzulegen sind.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

6. die Justizverwaltung Ungarns betreffend:

Lieber Freiherr von Vay.

Da es Meine Absicht ist, die gesammte Gerichtsverwaltung Meines Königreiches Ungarn wieder innerhalb dieses Königreiches zu verlegen, so wird Mein Judex Curiae Mir mehrere geeignete Persönlichkeiten als Mitglieder der königlichen Kurie vorzuschlagen haben, die unter seinem Vorsitze und unter Zuziehung anderer kompetenter Persönlichkeiten vor Allem die Fragen der Organisirung der ungarischen Justizpflege zu berathen und Mir ihre Anträge in dieser Beziehung ungesäumt im Wege Meiner ungarischen Hofkanzlei zu unterbreiten haben werden, wobei es selbstverständlich ist, daß im Interesse der Sicherheit des Besitzes und der Stätigkeit der Privatrechtsverhältnisse alle Bestimmungen und Einrichtungen des bürgerlichen und Strafrechts insolange in voller Wirksamkeit zu bestehen haben, als nicht in Betreff derselben im Wege der Gesetzgebung die allfälligen Veränderungen vereinbart werden.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

7. die ungarische Comitatsverfassung betreffend:

Lieber Freiherr von Vay.

Da die Wiederherstellung der früheren ungarischen Komitatsverfassung eine nothwendige Folge Meiner heutigen Entschließungen in Betreff der Wiederbelebung der verfassungsmäßigen Einrichtungen Meines Königreiches Ungarn ist und dieselbe schon durch Mein Handschreiben vom 19. April d. J. in Aussicht gestellt wurde, haben die alten Komitatsbegrenzungen wieder ins Leben zu treten.

Sie haben Mir demgemäß unverzüglich ihre Anträge in Betreff der Ernennung der Komitats-Obergespäne zu unterbreiten.

Die definitive Koordinirung und Organisation der Komitate bleibt der Verhandlung mit dem nächsten ungarischen Landtage vorbehalten.

Bis dorthin haben die Obergespäne zur Behandlung der administrativen Geschäfte des Komitats Ausschüsse aus den Angehörigen des Komitats zu bilden und den Komitats-Magistrat einzusetzen.

Über die Art der Bildung dieser Komitatsausschüsse ebenso wie über die Zahl ihrer Mitglieder, bei der die verschiedenen Stände und Elemente der Bevölkerung billig berücksichtigt werden müssen, endlich in Betreff der Art der Behandlung der Administrativgeschäfte und der Art der Einsetzung der Komitatsmagistrate haben Sie Mir mit Berücksichtigung der verschiedenen Verhältnisse der Komitate unverzüglich den Antrag einer Instruktion zu unterbreiten, welche bis zum Zustandekommen eines definitiven Gesetzes als Norm des Vorgehens zu dienen haben wird.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

8. die ungarische Sprache betreffend:

Lieber Freiherr von Vay.

Indem Ich im Nachhange Meiner unter heutigem Datum erflossenen Entschließungen die ungarische Sprache als Geschäfts- und Amtssprache aller politischen und Gerichtsbehörden Meines Königreiches Ungarn im inneren Dienste sowohl, als im gegenseitigen Verkehre wieder herstelle, verordne Ich zugleich, daß den städtischen wie den ländlichen Gemeinden die Wahl der Geschäftssprache ihrer Gemeinde-, Kirchen- und Schulangelegenheiten freistehen, daß es ferner Jedermann unbenommen bleiben soll, in den Komitats-, städtischen und Gemeindeversammlungen sich jeder der im Lande üblichen Sprachen zu bedienen, und in jeder derselben Eingaben oder Bittschriften an die Behörden einzureichen, deren Erledigung in derselben Sprache zu geschehen haben wird; daß endlich die Justiz- und politischen Verwaltungsbeamten jeder Art Verordnungen und befehle, welche unmittelbar an die Gemeinden ergehen, in jeder Sprache zu verfassen haben, welche die Geschäftssprache ihrer Gemeindeangelegenheiten ist.

In Bezug auf die Unterrichtssprache bei der Universität in Pest finde Ich Mich bewogen, im Grundsatze auszusprechen, daß der Stand der Sachlage vor dem Jahre 1848 als Ausgangspunkt dienen solle. Da aber die allgemeinen Interessen des höheren wissenschaftlichen Unterrichts eine eingehende Prüfung und volle Würdigung erheischen, sind die Ansichten des Kadinal-Primas von Ungarn und des betreffenden Lehrkörpers einzuholen, und hat die königlich ungarische Statthalterei, bezüglich der endgiltigen Erledigung dieses Gegenstandes Mir einen motivirten Antrag zu stellen, bis dahin aber zu veranlassen, daß die Vorlesungen an der Pester Universsität mit thunlichster Anwendung des durch Mich festgestellten Grundsatzes und aller Beschleunigung eröffnet werden mögen.

In Bezug auf die Lehrsprache an den Gymnasien hat Meine ungarische Statthalterei die bezüglichen kirchlichen Würdenträger und politischen Behörden, ferner die Lehrkörper dieser Unterrichts-Anstalten selbst über die Frage zu hören, ob und welche Modificationen in der bei denselben üblichen Unterrichtssprache sich als nothwendig oder wünschenswerth darstellen und hat sodann ungesäumt ihre Anträge, im Wege meiner ungarischen Hofkanzlei, Mir zu unterbreiten.

Schließlich erkläre ich Ich Meinen festen Entschluß, auf diesem Gebiete, wie auf allen, wo sich die Interessen der verschiedenen Sprachen und Nationalitäten berühren, ebenso jedem wie immer gearteten Zwange oder Drucke, als auch jedem ungefugten Hervorrufen, Fördern und Verbittern nationaler oder sprachlicher Gegensätze auf das Entschiedenste entgegentreten zu wollen.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

9. die erforderlichen Übergangsbestimmungen betreffend:

Lieber Freiherr von Vay.

Indem Ich durch Meine heutigen Entschließungen die verfassungsmäßigen Einrichtungen Meines Königreiches Ungarn wieder ins Leben rufe, ist es Meine entschiedene Absicht ebenso wie Meine Regentenpflicht, dafür zu sorgen, daß dieser Übergang zu einer erneuten administrativen und legislativen Gestaltung ohne Eintrag und Nachtheil für die Stätigkeit der Verwaltung und Rechtspflege vor sich gehe. Demgemäß haben alle bestehenden Behörden, Ämter und Gerichtshöfe insolange ihre Wirksamkeit fortzusetzen, bis sie nicht durch die neuen Organe ersetzt sind und ihr ihren Anordnungen, Befehlen, Weisungen oder Richtersprüchen unverweigert von Jedermann Folge zu leisten; ebenso haben alle bestehenden Verordnungen und namentlich alle civil- und strafrechtlichen Bestimmungen und Einrichtungen jeder Art in voller Kraft fortzubestehen und sind mit voller Entschiedenheit zu handhaben, insoferne und insolange die Verordnungen nicht durch Meine seither erlassenen oder zu erlassenden Anordnungen, die civil und criminalrechtlichen Bestimmungen und Einrichtungen aber im Wege landtäglicher Berathungen und Vereinbarung modificirt sein werden.

Hievon haben sie alle Behörden Meines Königreiches Ungern im Wege Meiner ungarischen Statthalterei zu verständigen, der die strengste Handhabung Meiner Befehle in dieser Hinsicht obliegt.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

10. die staatsrechtlichen Verhältnisse Croatiens und Slavoniens betreffend:

Lieber Freiherr von Sokčević (den Ban von Kroatien und Slawonien).

Ich habe durch Mein heute erlassenes Diplom zur Regelung der inneren staatsrechtlichen Verhältnisse der Monarchie die Grundsätze ausgesprochen, nach welchen von nun an alle Länder derselben durch die Landtage und den Reichsrath an den Angelegenheiten der Gesetzgebung mitzuwirken haben.

Da demzufolge eine Vertretung Meiner Königreiche Croatien und Slavonien einzutreten hat, haben Sie, mit Rücksichtnahme auf die bestandenen verfassungsmäßigen Einrichtungen und auf die, in früherer Zeit politisch nicht berechtigten Classen Meiner croatisch-slavonischen Unterthanen, Mir den Vorschlag der Zusammensetzung der croatisch-slavonischen Vertretung einzureichen, die mit möglichster Beschleunigung auf Grundlage der, von Mir zu erlassenden Bestimmungen zusammenzutreten und namentlich über die Frage der Verhältnisse dieser Länder zum Königreiche Ungarn, welche Ich der Berathung und Verständigung der croatisch-slavonischen Vertretung und des ungarischen Landtages, vorbehaltlich Meiner Entscheidung und Sanktion zuweise, die Wünsche und Ansichten dieser Königreiche auszusprechen haben wird.

In Betreff der Form und Zusammensetzung dieser Vertretung ist eine Berathung mit Männern einzuleiten, welche durch amtliche oder bürgerliche Stellung, Talent, geleistete öffentliche Dienste oder öffentliches Vertrauen hervorragen.

Für jetzt habe ich gleichzeitig angeordnet, daß in dem, in Meinem Staatsministerium bestehenden croatisch-slavonischen Departement Angehörige dieser Länder verwendet werden.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

11. die staatsrechtlichen Verhältnisse Siebenbürgens betreffend:

Lieber Graf Rechberg.

Da Mein Großfürstenthum Siebenbürgen sich auf Grundlage einer dem ungarischen Staatsrecht analogen Competenz stets eines Landtages erfreute, die Aufhebung der Exemtionsstellung des Adels, der Frohnen und bäuerlichen Leistungen, und die Feststellung gleicher bürgerlicher Pflichten und Rechte für alle Classen der Bewohner des Landes, bei dem eigenthümlichen Charakter der früheren siebenbürgischen Verfassung aber tief greifende Veränderungen notwendig machen, so hat mein siebenbürgischer Kanzler eine Berathung mit Männern der verschiedenen Nationalitäten, Confessionen und Stände einzuleiten, welche durch amtliche oder bürgerliche Stellung, Talent, geleistete öffentliche Dienste und öffentliches Vertrauen hervorragen. In dieser Berathung sind die Fragen der Feststellung und Organisirung einer, ebenso den Ansprüchen der früher berechtigten Confessionen, Nationen und Stände, wie den Anforderungen der früher an den politischen Berechtigungen nicht theilhabenden Nationalitäten, Confessionen und Klassen angemessenen Vertretung des Landes zu erwägen, und sind die bezüglichen Anträge Mir mit möglichster Beschleunigung zu unterbreiten.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph

12. die staatsrechtlichen Verhältnisse Serbiens und des Temeser Banates betreffend:

Lieber Graf Rechberg.

Da die Wünsche und staatsrechtlichen Ansprüche Meines Königreiches Ungarn in Betreff der Wieder-Einverleibung der serbischen Wojwodschaft und des Temeser Banates ebenso wie die Wünsche und Ansprüche Meiner seit Altersher mit Privilegien und gesetzlichen Exemtionen versehenen serbischen Unterthanen ernste Würdigung erfordern, da endlich die vielfach abweichenden verschiedenen Ansichten der übrigen Bewohner der serbischen Wojwodschaft und des Temeser Banates gleichfalls eine eingehende Prüfung und Erwägung in Anspruch nehmen, habe ich beschlossen, einen Commissär in der Person meines FML Grafen Alexander Mensdorff-Pouilly auszusenden, der nach Anhörung hervorragender Persönlichkeiten aller Nationalitäten und Confessionen Mir seinen Bericht je eher zu erstatten, und den Vorschlag einer allseitig befriedigenden Regelung zu unterbreiten haben wird. Die nöthigen Instruktionen für diesen Commissär sind Mir durch Mein Ministerium alsobald vorzulegen.

    Wien, am 20. Oktober 1860.

Franz Joseph


Quellen: Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Oesterreich Jahrgang 1860 Nr. 225
© 18. Juni 2012
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