Bundesgesetz
vom 1. Mai 1934 BGBl. II Nr.  4/1934,
betreffend die "Vaterländische Front"

Aufgrund des Artikels III Absatz 2 des Bundesverfassungsgesetzes vom 30. April 1934, B.G.Bl. I. Nr. 255 hat die Bundesregierung beschlossen:

§ 1. (1) Die Gesamtheit der physischen und juristischen Personen, die der "Vaterländischen Front" angehören, bilden einen auf autoritärer Grundlage aufgebauten Verband des öffentlichen Rechtes.

(2) Der Vaterländischen Front kommt Rechtspersönlichkeit zu.

§ 2. Der Verband Vaterländische Front ist berufen, der Träger des österreichischen Staatsgedankens zu sein. Sein Ziel ist die politische Zusammenfassung aller Staatsangehörigen, die auf dem Boden eines selbständigen, christlichen, deutschen, berufsständisch gegliederten Bundesstaates Österreich stehen und sich dem derzeitigen Führer der Vaterländischen Front oder dem von diesem bestimmten Nachfolger unterstellen.

§ 3. (1) Der Führer der Vaterländischen Front (Bundesführer) ernennt einen Stellvertreter (Bundesführer-Stellvertreter).

(2) Der Bundesführer setzt den Wirkungskreis seines Stellvertreters fest.

§ 4. Zur Leitung und Durchführung der organisatorischen und administrativen Geschäfte der Vaterländischen Front ernennt der Bundesführer für das gesamte Bundesgebiet den Bundesleiter, für jedes Land einen Landesleiter; der Bundesführer setzt den Wirkungskreis des Bundesleiters und des Landesleiters fest.

§ 5. Als beratendes Organ steht dem Bundesführer der "Bundesführerrat", jedem Landesleiter der "Beirat der Landesleitung" zur Seite. Die Mitglieder des Bundesführerrates und der Beiräte der Landesleitungen werden vom Bundesführer berufen.

§ 6. Die näheren Bestimmungen über die Einrichtungen der Vaterländischen Front werden vom Bundesführer getroffen.

§ 7. Angehörige der Vaterländischen Front dürfen ein Mandat in den vorberatenden Organen der Gesetzgebung des Bundes, in den Landtagen und Gemeindetagen sowie in den Vertretungen sonstiger Selbstverwaltungskörper nur mit Zustimmung des Bundesführers oder der von ihm zur Erteilung dieser Zustimmung bevollmächtigten Organe bekleiden.

§ 8. Die Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden sind verpflichtet, Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen, die von dem Bundesführer, dem Bundesführer-Stellvertreter, dem Bundesleiter oder einem Landesleiter der Vaterländischen Front gefertigt sind, im Rahmen der geltenden Gesetze und Vorschriften ohne unnötigen Aufschub in Verhandlung zu nehmen.

§ 9. (1) Alle Angehörigen der Vaterländischen Frostn werden ortsgruppenweise in Verzeichnisse aufgenommen, die fortlaufend richtigzustellen sind. Für große Ortsgruppen können zwei oder mehrere Teilverzeichnisse angelegt werden. Die Gemeinden können zur Mitwirkung bei der Überprüfung der Verzeichnisse herangezogen werden.

(2) Die Verzeichnisse sind alljährlich zweimal auf die Dauer von je zwei Wochen zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Zur Auflegung der Verzeichnisse haben die Gemeinden einen geeigneten Amtsraum zur Verfügung zu stellen. Wann und wo die Verzeichnisse aufgelegt werden, ist von den Gemeinden in ortsüblicher weise öffentlich bekanntzumachen.

§ 10. (1) Die Bezeichnung "Vaterländische Front" - auch mit einem Zusatz - darf von keiner anderen Personengemeinschaft geführt werden.

(2) Das Beiwort "Vaterländisch" darf nicht durch physische Personen der Bezeichnung ihrer Beschäftigung vorgesetzt oder angefügt werden. Juristische Personen oder sonstigen Personengemeinschaften können dieses Beiwort ihrer Bezeichnung nur vorsetzen oder anfügen, wenn sie der Vaterländischen Front angehlren; überdies bedürfen sie hiezu der besonderen Bewilligung des Bundesführers.

§ 11. Die den Bestimmungen des § 10 entgegenstehenden Bezeichnungen, die auf die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes zurückgehen, sind binnen zwei Wochen im Sinne dieses Bundesgesetzes abzuändern.

§ 12. (1) Das Abzeichen der Angehörigen der Vaterländischen Front ist ein 25 mm langes und 2 mm breites, über einen Metallkern gezogenes rot-weiß-rotes Doppelbändchen oder ein diesem Bändchen nachgebildeter rot-weiß-rot gefärbter Metallstreifen aus Email. Das Tragen dieses Abzeichens durch Personen, die nicht der Vaterländischen Front angehören, ist verboten.

(2) Die Vaterländische Front ist berechtigt, im Siegel, auf Fahnen, Wimpeln und Armbinden das Kruckenkreuz in roter Farbe auf weißem Grund zu führen. Der Gebrauch dieses Abzeichens durch andere physische oder juristische Personen ist verboten.

§ 13. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der §§ 10, 11 und 12 werden - unbeschadet der allfälligen strafgerichtlichen Verfolgung - von der politischen Bezirksbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde von dieser, mit Geldstrafe bis zu 2000 S oder mit Arrest bis zu sechs Monaten bestraft; diese Strafen können auch nebeneinander verhängt werden. Auch kann diese Behörde auf den Verfall der gegenstände, auf die sich die strafbare Handlung bezieht, erkennen, und zwar ohne Rücksicht darauf, wem die vom Verfall betroffenen Gegenstände gehören.

§ 14. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundeskanzler im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern betraut.

Dollfuß, Starhemberg, Schuschnigg,
Neustädter-Stürmer, Buresch, Stockinger,
Schönburg, Ender, Fey, Kerber, Schmitz

Das verfassungsmäßige Zustandekommen dieses Bundesgesetzes wird beurkundet.

Miklas

Das Bundesgesetz regelt die Stellung der am 21. Mai 1933 von der Bundesregierung geschaffenen Vaterländischen Front als Sammelbecken für alle Österreicher und als Ersatz für die politischen Parteien. Sie wurde durch das Verfassungsüberleitungsgesetz 1934 mit Vorschlagsrecht für die Berufung der Mitglieder der Bundesgesetzgebungsorgane ausgestattet.

Durch das Frontgesetz vom Mai 1936 wurde die Vaterländische Front einzige legale "Partei" und Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Bundesführer waren 1933-1934 Bundeskanzler Dollfuß, 1934-1936 Vizekanzler und Bundesminister Starhemberg (ab 1933 Bundesführer-Stellvertreter) und 1936-1938 Bundeskanzler Schuschnigg.

Nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich wurde die Vaterländische Front aufgelöst und deren Führungspersonen verfolgt.


Quellen: Otto Ender, Die Verfassung 1934, Österreichischer Bundesverlag 1935
© 17. November  2002
Home              Zurück         Top