(Kaiserliches Patent)

Die Verfassung der österreichischen Monarchie, nebst zwei Beilagen

vom 26. Februar 1861
 

Wir Franz Joseph der Erste,
von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich;

König von Hungarn und Böhmen, König der Lombardei und Venedigs, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Jllirien, König von Jerusalem ect; Erzherzog von Österreich; Großherzog von Toscana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steyer, Kärnthen, Krain und der Bukowina; Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Nieder-Schlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska; Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc.; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark; Großwojwod der Wojwodschaft Serbien etc.. ect.

Nachdem Wir in Unserem zur Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse der Monarchie am 20. October 1860 erlassenen Diplome, auf Grundlage der pragmatischen Sanction und kraft Unserer Machtvollkommenheit, zu Unserer eigenen und so auch zur Richtschnur Unserer gesetzlichen Nachfolger in der Regierung, zu beschließen und zu verordnen gefunden haben, daß das Recht Gesetze zu geben, abzuändern oder aufzuheben nur unter Mitwirkung der Landtage, beziehungsweise des Reichsrathes ausgeübt werden wird, und in Erwägung, daß dieses Recht, um in's Werk gesetzt werden zu können, einer bestimmten Ordnung und Form der Ausübung bedarf, erklären, verordnen und verkünden Wir nach Anhörung Unseres Ministerrathes:

I. Rücksichtlich der Zusammensetzung des zur Reichsvertretung berufenen Reichsrathes und des ihm in Unserem Diplome vom 20. October 1860 vorbehaltenen Rechtes der Mitwirkung bei der Gesetzgebung, genehmigen Wir das beiliegende Gesetz über die Reichsvertretung und verleihen ihm hiemit für die Gesammtheit unserer Königreiche und Länder die Kraft eines Staats-Grundgesetzes.

II. In Bezug auf Unsere Königreiche Ungarn, Kroatien und Slawonien, sowie auf Unser Großfürstenthum Siebenbürgen, haben Wir in Absicht auf die Wiederherstellung der früheren Landesverfassungen im Einklange mit Unserem erwähnten Diplome und innerhalb der in demselben festgesetzten Gränzen, mittelst Unserer Handschreiben vom 20. October 1860 bereits die geeigneten Verfügungen getroffen.

III. Für Unsere Königreiche:
    Böhmen,
    Dalmatien,
    Galizien und Lodomerien mit den Herzogthümern Auschwitz und Zator und dem Großherzogthume Krakau;
Unsere Erzherzogthümer:
    Oesterreich unter der Enns, und
    Oesterreich ob der Enns;
Unsere Herzogthümer:
    Krain,
    Bukowina;
Unsere Markgrafschaft:
    Mähren;
Unser Herzogthum:
    Ober- und Nieder-Schlesien;
Unsere Markgrafschaft Istrien sammt den gefürsteten Grafschaften Görz und Gradiska und der Stadt Triest mit ihrem Gebiete; und
für das Land Vorarlberg
finden Wir, um die Rechte und Freiheiten der getreuen Stände dieser Königreiche und Länder nach den Verhältnissen und Bedürfnissen der Gegenwart zu entwickeln, umzubilden, und mit den Interessen der Gesammtmonarchie in Einklang zu bringen, die beiliegenden Landesordnungen und Wahlordnungen zu genehmigen und verleihen jeder einzelnen für das betreffende Land die Kraft eines Staats-Grundgesetzes.

Jedoch kann, nachdem Wir über die staatsrechtliche Stellung Unseres Königreiches Dalmatien zu Unseren Königreichen Kroatien und Slawonien noch nicht endgiltig entschieden haben, die für Unser Königreich Dalmatien erlassene Landesordnung dermal noch nicht vollständig in Wirksamkeit treten.

IV. Um die, mit den Patenten vom 20. October 1860 für Unsere Herzogthümer Steiermark, Kärnthen und Salzburg, dann für Unsere gefürstete Grafschaft Tirol erlassenen Statute mit jenen Bestimmungen in Einklang zu bringen, welche in den am heutigen Tage von Uns genehmigten Landesordnungen grundsätzlich aufgenommen sind; um den Landesvertretungen der Eingangs erwähnten Länder jene ausgedehnteren Befugnisse zu gewähren, die Wir den Vertretern der übrigen Kronländer zu bewilligen Uns bestimmt gefunden haben; um endlich Unsere unterm 5. Jänner 1861 (R.G.Bl Nr. 2) über das Wahlrecht erlassenen Verfügungen auch in Steiermark, Kärnthen, Salzburg und Tirol gleichmäßig zur Ausführung zu bringen: haben Wir in Erweiterung und Umänderung der bereits erlassenen Landesstatute die beiliegenden neuen Landesordnungen für Steiermark, Kärnthen, Salzburg und Tirol zu genehmigen befunden.

V. Indem Wir in Betreff Unseres lombardisch-venetianischen Königreiches Unserem Staatsminister zugleich den Auftrag ertheilen, Uns eine auf gleichen Grundsätzen ruhende Landesverfassung im geeigneten Zeitpuncte vorzulegen, übertragen Wir mittlerweile den Congregationen des Königreiches, als seiner dermal bestehenden Vertretung, das Recht, die bestimmte Zahl von Mitgliedern in den Reichsrath zu entsenden.

VI. Nachdem theils durch die vorausgängigen Grundgesetze, theils durch die wieder ins Leben gerufenen, theils durch die mittelst der neuen Grundgesetze geschaffenen Verfassungen das Fundament der staatsrechtlichen Verhältnisse Unseres Reiches festgestellt, und insbesondere die Vertretung Unserer Völker gegliedert, auch ihre Theilnahme an der Gesetzgebung und Verwaltung geordnet ist, - so verkünden Wir hiemit diesen ganzen Inbegriff von Grundgesetzen als die Verfassung Unseres Reiches, wollen und werden unter dem Schutze des Allmächtigen diese hiemit feierlich verkündeten und angelobten Normen nicht nur selbst unverbrüchlich befolgen und halten, sondern verpflichten auch Unsere Nachfolger in der  Regierung sie unverbrüchlich zu befolgen, zu halten, und dieß auch bei ihrer Thronbesteigung in dem darüber zu erlassenden Manifeste anzugeloben. Wir erklären hiemit auch den festen Entschluß, sie mit all Unserer kaiserlichen Macht gegen jeden Angriff zu schirmen und darauf zu sehen, daß sie von Jedermann befolgt und gehalten werden.

VII. Wir befehlen, daß dieses Patent sammt den mittelst desselben verkündeten Staats-Grundgesetzen über die Reichs- und Landesvertretung in der Form kaiserlicher Diplome ausgefertigt, in Unserem Haus-, Hof- und Staatsarchive, sowie auch seiner Zeit das Grundgesetz über die Reichsvertretung nebst den für jedes Land bestimmten besonderen Grundgesetzen in den Archiven Unserer Königreiche und Länder niedergelegt und aufbewahrt werden.

    Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien am sechsundzwanzigsten Februar im Eintausend achthundert einundsechzigsten, Unserer Reiche im dreizehnten Jahre.

    Franz Joseph

    Rechberg, Mecséry, Degenfeld, Schmerling,
    Lasser, Szécsen, Plener, Wickenburg, Pratobevera

    Auf Allerhöchste Anordnung
Ransonnet

 


Quellen: Fischer / Silvestri, Texte zur österreichischen Verfassungs-Geschichte, Geyer-Edition 1970
Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Oesterreich Jahrgang 1861 Nr. 20
© 7. Januar  2003 - 23. August 2013
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