Allerhöchste Entschließung
vom 4. Februar 1867
 

Als Ich mit Meinem Allerhöchsten Patent vom 2. Jänner l. J. die Einberufung eines außerordentlichen Reichsrathes anzuordnen geruhte, wurden hierbei von Meiner Absicht geleitet, allen nicht zur ungarischen Krone gehörigen Königreichen und Ländern der Monarchie die Abgabe des ihnen durch das Allerhöchste Patent vom 20. September 1865 in Aussicht gestellten gleichgewichtigen Votums in Bezug auf die Lösung der Verfassungsfrage zu sichern und dieselben gleichzeitig eine nicht innerhalb der bisherigen Schranken liegende Basis zu Verständigung und Ausgleichung der auch in diesen Königreichen und Ländern vorwaltenden verschiedenen Rechtsansprüche und Rechtsauffassungen zu bieten.

Diese Meine Absicht hat zum lebhaften Bedauern Meiner Regierung nicht überall die gehoffte Würdigung gefunden, dieselbe ist vielmehr vielfach der Mißdeutung ausgesetzt gewesen, als gedenke die kaiserliche Regierung durch diesen Schritt die den Eingangs erwähnten Königreichen und Länder durch das Diplom vom 20. October 1860 und das Patent vom 26. Februar 1861 zugesicherten verfassungsmäßigen Rechte zu schmälern oder wohl gar auf die Dauer zu entziehen.

So sehr nun Meine Regierung eine solche Auffassung beklagen und als eine jeder wirklichen Begründung entbehrende bezeichnen mußte, so wenig konnte sie sich darüber täuschen, daß auf diese Art der von ihr hauptsächlich im Auge gehaltene Zweck in seiner Wesenheit gefährdet erschien.

Mu0te sich aber schon nach diesen Erwägungen Meiner Regierung eine ernste und aufmerksame Prüfung der Frage empfehlen, ob das mit empfehlen, ob das mit so redlichem Wollen in Aussicht genommene Werk noch von den gehofften ersprießlichen Resultaten begleitet sein könne, so tat seither noch ein sehr wichtiger und folgenreicher Umstand hinzu, welcher ein Beharren auf dem neuerlich eingeschlagenen Wege nicht mehr als zweckmäßig erscheinen konnte.

Während bei dem Erlasse Meines Patentes vom 2. Jänner d. J. der ins Auge gefaßte Stand der Verhandlungen mit den Ländern der ungarischen Krone sich darauf beschränkte, daß ein an den ungarischen Landtag ergangenes Allerhöchstes Rescript die Grundprincipien und Grenzen des Ausgleiches feststellte, ohne daß darauf eine eingehende Äußerung des ungarischen Landtages erfolgt wäre, haben Verhandlungen, welche seitdem gepflogen worden sind, zu dem erfreulichen Resultate geführt, daß von Seite des ungarischen Landtages mit Zuversicht eine Zustimmung zu Anträge gehofft werden kann, welche die Machtstellung der Gesammtmonarchie zu wahren geeignet sind, und in ihrer Durchführung eine gedeiliche Entwicklung derselben in Aussicht stellen.

Als Vorbedingung für die practische Durchführung des Ausgleiches erschien aber die Ernennung des verantwortlichen ungarischen Ministeriums. War es nun ein Gebot politischer Nothwendigkeit, mit dem definitiven Ausgleiche Ungarn gegenüber nicht öänger zu zögern, so vermochte sich Meine Regierung einer Täuschung darüber nicht hinzugeben, daß das ungarische Ministerium in den Stand gesetzt werden müsse, eine vereinbarte Grundlage des Ausgleiches vor dem ungarischen Landtage zu vertreten.

Unter solchen Umständen erscheint der Grundgedanke, welcher bei der Berufung des außerordentlichen Reichsrathes vorgewaltet hatte, durch die später eingetretenen Ereignisse überholt und es trat an Meine Regierung nunmehr die wichtige Frage zur Entscheidung heran, ob es sich bei dieser Sachlage nicht im Interesse des Reiches empfehlen würde, von der Berufung eiens außerordentlichen Reichsrathes Umgang zu nehmen.

Meine Regierung hat sich nach aufmerksamster und eingehenster Prüfung für die Bejahung der Frage entscheiden müssen, und ist hierbei von folgenden maßgebenden Gesichtspuncten geleitet worden:

Seit einer langen Reihe von Jahren krankt die constitutionelle Organisation der Monarchie an den bisher unlösbar gebliebenen Widersprüchen zwischen dem älteren ungarischen Verfassungsrechte und jenen freiheitlichen Institutionen, welche Ich im Bereiche der gesammten österreichischen Monarchie durchzuführen Allerhöchst selbst zur Lebens-Aufgabe gemacht habe.

Welche traurige Folgen hieraus erwachsen sind, wie sehr der Staat durch diesen Conflict am innersten Lebensmarke leidet, ist allgemein bekannt. Vor Behebung dieses Conflictes ist die Wiederherstellung der Größe und der der altgeschichtlichen Stellung des Kaiserstaates in dem europäischen Staatensysteme nicht zu erhoffen. Bei den Verhältnissen, welche die letzten unheilvollen Ereignisse geschaffen, ist aber auch jene Verzögerung des Ausgleiches mit den entschiedensten Nachtheilen verbunden.

Tritt der letztere jedoch ins Leben, so erscheint damit zugleich der Zweck erreicht, welcher der mit Meinem Patente vom 20. September 1865 verfügten Sistirung zum Grunde lag.

Diese nun wegen der Einleitung einer Verständigung mit Ungarn ergriffene Maßregel stellt sich fortan nicht mehr als nothwendig dar, die Rückkehr in die verfassungsmäßigen Bahnen ist von selbst gegeben und der Regierung die Gelegenheit geboten, dem versammelten Reichsrathe über die gepflogene Verhandlung Aufschlüsse zu ertheilen und ihre Schritte zu rechtfertigen.

Von diesen Gründen geleitet, habe Ich daher mit Meiner Entschießung vom 4. d. M. zu verordnen geruht, daß von der Einberufung eines außerordentlichen Reichsrathes abzukommen sei, der verfassungsmäßigre Reichsrath am 18. März d. J. in Wien zusammentrete, und daß demselben diesjenigen Verfassungs-Änderungen, welche mit Rücksicht auf den Ausgleich mit Ungarn sich als nothwendig herausstellen, zur Annahme vorgelegt werden.

Gleichzeitig sollen Gesetzentwürfe über die Entsendung von Abgeordneten in den Berathungskörper für die gemeinsamen Angelegenheiten, nicht minder über die Fortbildung der constitutionellen Befugnisse und der Westhälfte des Reiches durch ein gesetz über die Ministerverantwortlichkeit und Modificirung des § 13 des Februarpatentes, sowie auch in Folge der wiederholt in einzelnen Landtagen laufgewordenen Wünsche, durch eine Vorlage zur Erweiterung der verfassungsmäßigen Autonomie der Länder, endlich der Entwurf des Gesetzes über die neue Wehrverfassung demselben sofort nach seiner Zusammentretung vorgelegt, sowie auch weiterhin wichtige, der Verbesserung der Rechtspflege und die Hebung der volkswirthschaftlicehn Interessen betreffende Gesetzesvorlagen erfolgen werden.

Meine Regierung darf von der ruhigen Besonnenheit und dem opferwilligen Patriotismus der Mitglieder der Landtage mit Zuversicht hoffen, daß dieselben sofort zur Wahl der Mitglieder für den verfassungsmäßigen Reichsrath schreiten und hierdurch in richtiger Beurtheilung Meiner wohlwollenden Tendentionen das Seinige dazu beitragen werde die nur alzu lange schon fortdauernde Verfassungskrisis auf immer dem Einverständnisse aller Betheiligten entsprechenden Grundlage zu beenden.

    Wien, am 4. Februar 1867

Franz Joseph

Beust            Komers            Wüllerstorf            John

 


Quellen: Landtagsblatt Mährens, 1867, Seite 2
Verhandlungen des Salzburger Landtages, 1867, S. 6

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