vom 3. April 1916,
betreffend die Fortführung der Landesverwaltung der Markgrafschaft Istrien
faktisch aufgehoben
mit dem Übergang der Souveränität über die Gebiete der
Markgrafschaft Istrien an
Italien in den Jahren 1918/20
Wir Franz Joseph der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich,
König von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien; König von Jerusalem ec.; Erzherzog von Österreich; Großherzog von Toscana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steyer, Kärnten, Krain und der Bukovina; Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Nieder-Schlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschuwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradisca; Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg ec.; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark; Großwoywod der Woywodschaft Serbien, ec. ec.
tun kund und zu wissen:
Da der Landtag Unserer Markgrafschaft Istrien seit Jahren seine gesetzlichen Aufgaben nicht zu erfüllen vermochte und nunmehr der Landesausschuß weder den finanziellen Obliegenheiten der Landesverwaltung gerecht zu werden, noch überhaupt die ihm zustehenden Funktionen in gesetzmäßiger Weise weiterzuführen in der Lage ist,
da somit die Gesetzgebung der Markgrafschaft Istrien sowie die verwaltende und ausführende Tätigkeit der Landesvertretung zum Stillstande gelangt ist,
finden Wir angesichts der Notwendigkeit, die der Bevölkerung Unserer Markgrafschaft Istrien drohenden Nachteile und Gefahren abzuwenden und insbesondere für die Fortführung der Landesverwaltung Vorsorge zu treffen, kraft Unserer Regentenpflicht
zunächst anzuordnen, wie folgt:
Artikel I. Zur Besorgung der dem Landesausschusse der Markgrafschaft Istrien gesetzlich obliegenden Aufgaben setzen Wir eine von Uns zu ernennende Landesverwaltungskommission ein. Die Wirksamkeit dieser Kommission hat so lange zu währen, bis ein vom Landtage neu gewählter Landesausschuß seine Tätigkeit aufgenommen haben wird.
Die Einrichtung und Geschäftsführung der Kommission wird durch das beigeschlossene, von Uns erlassene Statut geregelt.
Artikel II. Dieses Patent wird, samt der einen Bestandteil derselben bildenden Beilage im Gesetz- und Verordnungsblatte für das österreichisch-illyrische Küstenland kundgemacht.
Artikel III. Mit dem Vollzuge dieses Patentes, das mit dem Tage seiner Kundmachung in Kraft tritt, ist Mein Gesamtministerium beauftragt.
Gegeben in Unserer Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, am 3. April im eintausendneunhundertsechzehnten, Unserer Reiche im achtundsechzigsten Jahre.
Franz Joseph
Stürgkh, Forster
Hochenburger, Zenker
Trunka, Hussarek
Geori, Leth
Morawski, Spitzmüller
Hohenlohe
§ 1. Die Landesverwaltungskommission der Markgrafschaft Istrien tritt bis auf weiteres an Stelle des Landesausschusses und besorgt im Rahmen der geltenden Gesetze die dem letzteren obliegenden Aufgaben.
§ 2. Die Landesverwaltungskommission besteht aus einem Präsidenten, drei Mitgliedern und einem Ersatzmann. Der Präsident, die Mitglieder und der Ersatzmann werden vom Kaiser ernannt, wobei ein Mitglied zum Stellvertreter des Präsidenten bestellt wird, und können vom Kaiser jederzeit ihres Amtes enthoben werden.
§ 3. Der Präsident der Landesverwaltungskommission hat bei Antritt seines Amtes dem Kaiser einen Eid zu leisten, den er in die Hände des Statthalters ablegt.
§ 4. Die Mitglieder und der Ersatzmann haben bei Antritt ihres Amtes dem Kaiser Treue und Gehorsam, Beobachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung aller mit ihrem Amte verbundenen Pflichten unter besonderer Wahrung vollster Unparteilichkeit und strenger Einhaltung der im Interesse der Landesfinanzen gebotener Sparsamkeit in die Hände des Präsidenten an Eidesstatt zu geloben.
Der Präsident und die Mitglieder der Kommission beziehen für die Dauer ihrer Funktion aus Landesmitteln eine Entschädigung in jener Höhe, wie sie für die Landesausschußbeisitzer bestimmt ist. Überdies gebührt dem Präsidenten eine jährliche Funktionszulage in der Höhe von zweitausend Kronen.
§ 5. Die bestehende Organisation der Landesämter bleibt aufrecht.
Sämtliche Beamte und Diener derselben werden durch den Präsidenten an den von ihnen abgelegten Eid erinnert.
§ 6. Die erforderliche Neubestellung von Vertretern und Funktionären in einzelnen Korporationen und Anstalten erfolgt hinsichtlich der vom Landesausschusse entsendeten Personen nach Ablauf der Funktionsperiode oder sonstigem Abgange durch die Landesverwaltungskommission, hinsichtlich der vom Landtage gewählten Personen aber im gleichen Falle durch den Kaiser über Vorschlag des Präsidenten.
§ 7. Die Landesverwaltungskommission hat insbesondere den Voranschlag des Landes hinsichtlich sämtlicher Landeseinnahmen und Landesausgaben zu verfassen. Der zum Beschlusse erhobene Voranschlag ist vom Präsidenten zur Allerhöchsten Schlußfassung vorzulegen.
§ 8. In Betreff der Auslagen aus Landesmitteln ist die Landesverwaltungskommission an den Allerhöchst bewilligten Jahresvoranschlag und an die für die einzelnen Fonde und Anstalten bestehenden Vorschriften gebunden.
In Fällen dringender Notwendigkeit, welche nicht vorhergesehene, daher nicht präliminierte Ausgaben erheischen, kann die Landesverwaltungskommission, wenn eine solche Ausgabe ohne wesentliche Gefährdung des Zweckes nicht verschoben werden kann, eine derartige Ausgabe außerhalb des bewilligten Präliminares veranlassen.
Alle Präliminarüberschreitungen und Abweichungen müssen jedoch im Jahresrechnungsabschlusse des Landes, welcher zur Allerhöchsten Genehmigung vorzulegen ist, unter fachlicher Begründung detailliert zur Darstellung gebracht werden. Das Gleiche gilt rücksichtlich der Gewährung von Subventionen, von nicht systemisierten Pensions- oder Provisionsbezügen und Erziehungsbeiträgen, sowie von Gnadengaben und Personalzulagen.
Übrigens bleibt es dem Präsidenten überlassen, bei Ausgaben der im dritten Absatze bezeichneten Art, welche seiner Ansicht nach eine besonders bedeutende finanzielle Belastung des Landes in sich schließen, die vorherige Allerhöchste Genehmigung einzuholen.
§ 9. Die Geschäfte der Landesverwaltungskommission werden in Kollegialberatungen verhandelt und erledigt.
Die Referate werden vom Präsidenten verteilt, dem es überlassen bleibt, nach Anhörung der Landesverwaltungskommission festzusetzen und zu bestimmen, welche Geschäfte mit Rücksicht auf ihre mindere Wichtigkeit und behufs schnellerer Erledigung unter Haftung des Präsidenten und des Referenten laufend behandelt werden können.
§ 10. Der Tag und die Stunde der abzuhaltende Sitzungen, sowie die Reihenfolge der in denselben zu verhandelten Gegenstände ist vom Präsidenten zu bestimmen.
§ 11. Den Vorsitz in den Sitzungen führt der Präsident und in dessen Verhinderung das zum Stellvertreter ernannte Mitglied.
§ 12. Zur Giltigkeit eines Beschlusses der Landesverwaltungskommission ist außer der Anwesenheit des Vorsitzenden jene von mindestens zwei Mitgliedern erforderlich.
Die Beschlußfassung erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit. Der Vorsitzende (§ 11) hat stets mitzustimmen; bei Stimmengleichheit gilt jene Meinung als angenommen, welcher der Vorsitzende beigetreten ist.
§ 13. Der Präsident ist verpflichtet, die Ausführung von Beschlüssen der Landesverwaltungskommission, die nach seiner Auffassung dem öffentlichen Wohle, den bestehenden Gesetzen oder dem Grundsatze der Unparteilichkeit zuwiderlaufen, insoweit sie keinem Rechtsmittel unterliegen, zu sistieren und die Angelegenheit unverzüglich der Allerhöchsten Schlußfassung zu unterziehen.
§ 14. Alle Unterbreitungen des Präsidenten an den Kaiser erfolgen im Wege des Statthalters.
§ 15. Die nach Maßgabe des § 29 der Landesordnung auszustellenden Urkunden sind von dem Präsidenten und einem Mitgliede der Kommission zu fertigen und mit dem Landessiegel zu versehen.
§ 16. Soweit in den vorstehenden Bestimmungen keine abweichenden Anordnungen getroffen sind, finden auf die Geschäftsführung der Landesverwaltungskommission die Vorschriften der Instruktion für den Landesausschuß der Makrgrafschaft Istrien Anwendung.
Das vorstehende Patent suspendierte die Landesordnung für Istrien, da Landtag und Landesausschuss aufgrund der im Weltkrieg weiter angeheizten nationalistischen Strömungen zwischen Slawen und Italienern in Istrien einen weiteren Höhepunkt erreichten. Die Reichsgewalt hat deshalb die Landesautonomie für Istrien (wie auch vorher schon für Böhmen und gleichzeitig für Dalmatien) suspendiert und unter die Reichsgewalt gestellt. Auch wenn dieser Zustand nur für die Zeit galt, bis der Landtag von Istrien wieder gemäß der Landesordnung einen Landesausschuss bestellen sollte, war es doch das Ende der Landesautonomie der Markgrafschaft Istrien, die 1918/20 vollständig dem Königreich Italien übertragen wurde.