Verfassungsgesetz
vom 9. März 1921,
über die Geschäftsordnung des Landtages von Niederösterreich.

Der Landtag von Niederösterreich hat beschlossen:

Eröffnung und Bildung des Landtages.

§ 1. (1) Jeder Abgeordnete zum Landtag von Niederösterreich hat so lange Sitz und Stimme im Landtag, als nicht seine Wahl ungültig erklärt oder seine Mitgliedschaft aus einem anderen Grunde erloschen ist.

(2) Die Kanzlei des gemeinsamen Landtages stellt jedem Abgeordneten eine amtliche Legitimation mit seinem Lichtbild aus.

§ 2. (1) Der Landtag wird nach jeder Neuwahl einer Kurie vom Präsidenten längstens innerhalb 30 Tagen nach der Wahl einberufen.

(2) In der ersten Sitzung des Landtages nach der Neuwahl einer Kurie führt der Präsident des früheren Landtages bis zur Neuwahl des Präsidenten den Vorsitz.

(3) Er beruft fünf Abgeordnete zur vorläufigen Besorgung der Geschäfte der Schriftführer.

§ 3. (1) Auf die Aufforderung des Vorsitzenden verliest der Schriftführer folgendes Gelöbnis:
    "Ich gelobe unverbrüchliche Treue der Republik und getreuliche Beobachtung der Bundesverfassung, der gemeinsamen Landesverfassung sowie der Verfassung der beiden Landesteile und aller Landesgesetze."

(2) Über Namensaufruf leistet jeder Abgeordnete das Gelöbnis durch die Worte: "Ich gelobe".

(3) Später eintretende Abgeordnete leisten die Angelobung bei ihrem Eintritte.

§ 4. (1) Ein Abgeordneter wird seines Mandates verlustig:
1. wenn seine Wahl für ungültig erklärt wird;
2. wenn er nach erfolgter Wahl die Wählbarkeit verliert;
3. wenn er die Angelobung nicht in der im § 3 vorgeschriebenen Weise oder überhaupt nicht leistet oder sie unter Beschränkungen, mit Zusätzen oder Vorbehalten leisten will;
4. wenn er durch 30 Tage den Eintritt in den Landtag verzögert hat oder 30 Tage ohne Urlaub oder über die Zeit des Urlaubes von den Sitzungen des Landtages ausgeblieben ist und der nach Ablauf der 30 Tage an ihn öffentlich und im Landtag gerichteten Aufforderung des Präsidenten, binnen weiteren 30 Tagen zu erscheinen oder seine Abwesenheit zu rechtfertigen, nicht Folge geleistet hat.

(2) Der Verlust des Mandates tritt ein, sobald der Verfassungsgerichtshof einen dieser Fälle festgestellt und die Ungültigkeit der Wahl oder den Mandatsverlust ausgesprochen hat.

(3) Wird einer der im Absatz (1) vorgesehenen Fälle zur Kenntnis des Präsidenten des Landtages gebracht, so hat er dies dem Landtag bekanntzugeben, der mit einfacher Mehrheit den im Artikel 141 des Bundes-Verfassungsgesetzes vorgesehenen Antrag beschließt.

§ 5. (1) Nach der Angelobung wählt jede der beiden Kurien des Landtages in getrennten Wahlgängen unter der Leitung des Vorsitzenden aus ihrer Mitte einen Präsidenten und einen zweiten Präsidenten. Die beiden Präsidenten führen monatlich abwechselnd den Vorsitz im Landtage; im Falle ihrer Verhinderung werden sie durch den aus der betreffenden Kurie gewählten zweiten Präsidenten vertreten.

(2) Als Präsident im Sinne dieser Geschäftsordnung gilt derjenige, der nach den vorstehenden Bestimmungen die Geschäfte führt.

(3) Kein Präsident kann Mitglied der Verwaltungskommission oder der Landesregierung eines der beiden Landesteile sein. (Artikel 10. Gem. L. V.)

(4) Nach der Wahl der Präsidenten übergibt der Vorsitzende die Amtsgeschäfte an den für diesen Monat berufenen Präsidenten.

§ 6. Die Präsidenten bleiben bis zum Amtsantritte ihrer Nachfolger im Amte.

§ 7. (1) Der Präsident genehmigt im Einvernehmen mit dem Präsidenten der anderen Kurie innerhalb des festgestellten Landeshaushaltes die Ausgaben für den Landtag.

(2) Er ersucht im Einvernehmen mit dem Präsidenten der anderen Kurie die Verwaltungskommission um Beistellung von bestimmten Beamten für die Kanzlei.

Gegenstände der Behandlung.

§ 8. Gegenstände der Verhandlung des Landtages sind folgende Vorlagen:
    Anträge von Mitgliedern des Landtages;
    Vorlagen der Verwaltungskommission;
    Anträge von Ausschüssen;
    Anfragen und
    Bittschriften.

§ 9. Gesetzesvorschläge gelangen an den Landtag entweder als Anträge seiner Mitglieder oder als Vorlagen der Verwaltungskommission (Artikel 15 Gem. L. V.)

§ 10. (1) Bei Feststellung der Tagesordnung des Landtages haben die Vorlagen der Verwaltungskommission den Vorrang vor allen übrigen Gegenständen, soweit deren Verhandlung noch nicht im Zuge ist.

(2) Die Vorlagen der Verwaltungskommission bedürfen keiner Unterstützung.

(3) Weichen Ausschußanträge über solche Vorlagen von diesen im ganzen oder in einzelnen Teilen ab, so kommen im Falle der Ablehnung dieser Abweichungen diese Vorlagen noch in ihrer ursprünglichen Fassung zur Abstimmung.

(4) DieVerwaltungskommission kann ihre Vorlagen jederzeit abändern oder zurückziehen.

§ 11. (1) Jeder Abgeordnete ist berechtigt, selbständige Anträge zu stellen.

(2) Jeder Antrag muß mit Einrechnung des Antragstellers von mindestens acht Abgeordneten unterstützt sein.

§ 12. Jeder Ausschuß hat das Recht, selbständige Anträge auf Erlassung von Gesetzen oder Fassung von Beschlüssen zu stellen, die mit dem dem Ausschusse zur Vorberatung zugewiesenen Gegenstande in Verbindung stehen.

Vorberatung der Verhandlungsgegenstände.

§ 13. Zur Vorberatung der Verhandlungsgegenstände wird ein Hauptausschuß gewählt. Der Landtag bestimmt die Anzahl der Mitglieder und Ersatzmänner und die Verhältniszahl, nach der die Wahl vorzunehmen ist. Im Bedarfsfalle können auf besonderen Antrag auch etwa notwendige Fachausschüsse in derselben Art gebildet werden.

§ 14. (1) Bei den Verhandlungen der Ausschüsse dürfen alle Mitglieder des Landtages als Zuhörer anwesend sein. Die Präsidenten der zwei Kurien des Landtages sind berechtigt, sofern sie nicht Mitglieder des Ausschusses sind, den Verhandlungen mit beratenden Stimme beizuwohnen.

(2) Ein Ausschuß kann jedoch Sitzungen mit Ausschluß der Abgeordneten, die nicht Mitglieder sind, abhalten, wenn dies mit einfacher Mehrheit beschlossen wird.

§ 15. Die Mitglieder der Verwaltungskommission, die von ihnen entsendeten Vertreter sowie die Mitglieder der beiden Landesregierungen sind berechtigt, an allen Vorberatungen des Landtages und seiner Ausschüsse mit beratender Stimme teilzunehmen. Sie müssen auf ihr Verlangen jedesmal gehört werden. Ihre Anwesenheit kann sowohl vom Landtage wie von den Ausschüssen verlangt werden.

§ 16. (1) Die Ausschüsse haben das Recht, durch den Präsidenten des Landtages die Mitglieder der Verwaltungskommission um die Einleitung von Erhebungen zu ersuchen. Ebenso steht ihnen das Recht zu, durch den Präsidenten Sachverständige oder Zeugen zur mündlichen Vernehmung vorladen oder zur Abgabe eines schriftlichen Gutachtens oder Zeugnisse auffordern zu lassen.

(2) Leistet ein Sachverständiger oder Zeuge der Ladung nicht Folge, so ist seine Vorführung durch die politische Behörde im Auftrag des Präsidenten zu veranlassen.

(3) Im Verfahren der gemäß Artikel 27 der gemeinsamen Landesverfassung eingesetzten Untersuchungsausschüsse werden die Bestimmungen der Strafprozeßordnung sinngemäß angewendet.

Sitzungen des Landtages.

§ 17. (1) Die Sitzungen des Landtages sind öffentlich.

(2) Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen, wenn es vom Präsidenten oder einem Viertel der anwesenden Mitglieder einer der beiden Kurien verlangt und vom Landtag nach Entfernung der Zuhörer beschlossen wird (Artikel 13, Gem. L. V.).

§ 18. (1) Die Anwesenheit der zu einem Beschlusse des Landtages notwendigen Anzahl von Mitgliedern ist nur bei Abstimmungen und Wahlen erforderlich.

(2) Kann eine Abstimmung oder eine Wahl wegen Beschlußunfähigkeit nicht vorgenommen werden, so schließt der Präsident die Sitzung oder unterbricht sie auf bestimmte Zeit.

§ 19. (1) Am Beginn der Sitzung kann der Präsident eine Umstellung der Gegenstände der Tagesordnung vornehmen. Wird Einspruch erhoben, so entscheidet der Landtag ohne Debatte.

(2) Auf Vorschlag des Präsidenten oder auf den Antrag eines Abgeordneten kann der Landtag mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder am Beginn der Sitzung beschließen, daß ein Verhandlungsgegenstand von der Tagesordnung abgesetzt oder daß ein nicht auf der Tagesordnung abgesetzt oder daß ein nicht auf der Tagesordnung abgesetzt oder daß ein nicht auf der Tagesordnung stehender Gegenstand in Verhandlung genommen werde.

§ 20. Der Landtag kann nur durch seinen Beschluß vertagt werden. Die Wiedereinberufung erfolgt durch den Präsidenten. Dieser ist verpflichtet, den Landtag sofort einzuberufen, wenn wenigstens die Hälfte der Mitglieder einer Kurie, die Verwaltungskommission oder die Landesregierung einer der beiden Landesteile es verlangen (Artikel 9, Gem. L. V.).

Geschäftsbehandlung in den Sitzungen des Landtages.

§ 21. (1) Der Antrag auf Schluß der Debatte oder auf Schluß der Rednerliste kann, nachdem außer dem Berichterstatter wenigstens zwei Redner gesprochen haben, jederzeit, jedoch ohne Unterbrechung eines Redners, gestellt werden und ist vom Präsidenten nach Anhörung des Berichterstatters ohne Unterstützungsfrage zur Abstimmung zu bringen.

(2) Spricht sich die Mehrheit für den Schluß der Debatte aus, so hat nur mehr der Berichterstatter das Schlußwort.

(3) Mitglieder, die einen Abänderungsantrag stellen wollen, können, falls Schluß der Debatte oder der Rednerliste beschlossen wurde, ihren Antragsogleich nach ausgesprochenem Schlusse dem Präsidenten übergeben, der ihn mitteilt und, wenn der Antrag nicht durch Unterfertigung gehörig unterstützt ist, die Unterstützungsfrage stellt.

(4) Nach Schluß der Rednerliste dürfen nur die eingezeichneten Redner und der Berichterstatter (Antragsteller) das Wort nehmen.

(5) Nimmt ein Vertreter der Verwaltungskommission nach Schluß der Debatte oder der Rednerliste das Wort, so gilt diese aufs neue für eröffnet.

§ 22. Wenn sich im Laufe einer Verhandlung ein Abgeordneter zur tatsächlichen Berichtigung zum Worte meldet, hat ihm der Präsident unmittelbar nach der nächsten Unterbrechung der Debatte oder, wenn die Debatte nach an demselben Tage geschlossen wird, nach der Schlußrede des Berichterstatters das Wort zu erteilen.

§ 23. (1) Anträge zur Geschäftsbehandlung brauchen nicht schriftlich überreicht zu werden. Sie bedürfen keiner Unterstützung und können vom Präsidenten auch ohne Debatte sogleich zur Abstimmung gebracht werden.

(2) Meldet sich ein Abgeordneter, ohne einen Antrag zu stellen, zur formellen Geschäftsbehandlung zum Wort, so ist der Präsident berechtigt, ihm das Wort erst am Schlusse der Sitzung zu erteilen und auch die Redezeit bis auf fünf Minuten zu beschränken.

§ 24. (1) Jene Mitglieder des Landtages, die zu einem auf der Tagesordnung stehenden Gegenstand zu sprechen wünschen, haben sich sobald der Präsident die Aufforderung hiezu erläßt, mit der Angabe, ob sie "für" oder "gegen" sprechen werden, zu melden.

(2) Sie gelangen in der Reihenfolge der Anmeldung zum Worte, wobei der erste "Gegen"-Redner beginnt und sodann zwischen "Für"- und "Gegen"-Redner abgewechselt wird.

(3) Wenn alle eingeschriebenen Redner gesprochen haben, wird von dem Präsidenten den nicht  eingeschriebenen Abgeordneten in der Reihenfolge, in der sie sich melden, das Wort erteilt.

(4) Jedem Redner steht es frei, sobald er zum Worte gelangt, einem anderen Abgeordneten sein Recht abzutreten; doch dar das Wort einem Redner, welcher über den Gegenstand schon zweimal gesprochen hat, nicht abgetreten werden.

§ 25. Die Mitglieder der Verwaltungskommission können in den Sitzungen des Landtages und der Ausschüsse auch zu wiederholten Malen, jedoch ohne Unterbrechung eines Redners, das Wort nehmen. Es ist ihnen gestattet, schriftlich abgefaßte Vorträge vorzulesen.

§ 26. (1) Auf Vorschlag des Präsidenten kann der Landtag bei einzelnen Verhandlungen sowohl für die Generaldebatte als auch für einzelne oder sämtliche Abschnitte der Spezialdebatte beschließen, daß die Redezeit eines jeden Redners aus dem Landtag, mit Ausnahme des Berichterstatters, ein bestimmtes Ausmaß nicht überschreiten darf. Auf weniger als eine halbe Stunde kann jedoch die Redezeit nicht herabgesetzt werden. Der Beschluß wird ohne Debatte gefaßt.

(2) Bei der Beratung des Voranschlages muß von jeder Gruppe von Abgeordneten, die ein Mitglied in den Ausschuß entsendet, mindestens ein Redner zum Worte kommen.

§ 27. (1) Zu einem Beschlusse des Landtages ist, soweit in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, die Anwesenheit von mindestens einem Drittel der Mitglieder jeder der beiden Kurien des Landtages und die unbedingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich (Gem. L. V. Art. 16, Absatz 1).

(2) Die Festsetzung der Beiträge zu den Kosten für die Verwaltung der Landesangelegenheiten für die Zeit nach 1921 erfolgt durch Beschluß des gemeinsamen Landtages bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder jeder Kurie (Gem. L. V. Art. 5).

(3) Verfassungsgesetze oder in anderen Gesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen, insbesondere die im Absatz 2 des Artikels 16 des Landes-Verfassungsgesetzes erwähnten Bestimmungen können nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder jeder der beiden Kurien und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden; sie sind als solche ("Verfassungsgesetz", "Verfassungsbestimmung") ausdrücklich zu bezeichnen.

(4) Zur Wiederholung eines Gesetzesbeschlusses im Sinne des Artikels 18, Absatz 2, des Landesverfassungsgesetzes ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder notwendig.

(5) Der Landtag kann im Sinne des Artikels 142 des Bundes-Verfassungsgesetzes vom 1. Oktober 1920, B. G. Bl. Nr. 1, gegen ein Mitglied der Verwaltungskommission wegen Gesetzesverletzung die Anklage beim Verfassungsgerichtshofe erheben (Artikel 28 Gem. L. V.).

(6) Zu einem Beschlusse, mit dem diese Anklage erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder jeder der beiden Kurien des Landtages.

§ 28. Jedem Mitgliede steht es frei, vor jeder Abstimmung zu verlangen, daß der Präsident die Zahl der für oder gegen die Frage Stimmenden bekanntgebe.

§ 29. Bei Stimmengleichheit wird die Frage als verneint angesehen.

§ 30. Mitglieder der Verwaltungskommission, die Abgeordnete sind, haben das Recht, an den Abstimmungen teilzunehmen.

§ 31. (1) Jedem Abgeordneten steht das Recht zu, an den Präsidenten des Landtages, an die Mitglieder der Verwaltungskommission und an die Obmänner der Ausschüsse schriftliche Anfragen zu richten.

(2) Der Befragte kann die Beantwortung mit Angabe der Gründe ablehnen.

§ 32. (1) Der Landtag ist berechtigt, die Mitglieder der Verwaltungskommission zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie seinen Wünschen über die Verwaltung in Entschließungen Ausdruck zu geben.

(2) Der Landtag kann durch Beschluß Untersuchungsausschüsse einsetzen. Das nähere Verfahren wird durch ein besonderes Gesetz geregelt (Artikel 28 Gem. L. V.).

§ 33. (1) Anfragen, die ein Abgeordneter an ein Mitglied der Verwaltungskommission richten will, sind dem Präsidenten schriftlich, mit wendigstens fünf eigenhändig beigesetzten Unterschriften versehen, zu übergeben und werden sofort dem Befragten mitgeteilt.

(2) Die Verlesung einer Anfrage findet nur auf Anordnung des Präsidenten statt.

(3) Der Befragte kann die Beantwortung mit Angabe der Gründe ablehnen.

§ 34. (1) Ob über die Beantwortung der an ein Mitglied der Verwaltungskommission gerichteten Anfrage oder ihre Ablehnung sofort oder in der nächsten Sitzung eine Besprechung stattfinden soll, entscheidet der Landtag ohne Debatte.

(2) Ein darauf zielender Antrag muß am Schlusse der Sitzung, in welcher die Beantwortung der Anfrage erfolgt ist, oder am Beginn der nächsten Sitzung eingebracht werden.

(3) Bei der Besprechung über die Beantwortung einer Anfrage kann der Antrag gestellt werden, der Landtag nehme die Beantwortung zur Kenntnis oder nicht zur Kenntnis. Dem Antrage kann eine kurze Begründung beigegeben sein.

§ 35. (1) Auf Vorschlag des Präsidenten oder auf Antrag von acht Mitgliedern kann ohne Debatte beschlossen werden, daß eine in derselben Sitzung eingebrachte Anfrage an ein Mitglied der Verwaltungskommission vom Fragesteller vor Eingehen in die Tagesordnung oder nach deren Erledigung mündlich begründet werde und hierauf eine Debatte über den Gegenstand stattfinde.

(2) Dem Antrag ist ohne weiteres stattzugeben, wenn er von mindestens zwanzig Mitgliedern unterstützt wird. Doch ist es dann dem Ermessen des Präsidenten überlassen, die Debatte bis an den Schluß der Sitzung, aber nicht über die fünfte Stunde des Nachmittags hinaus zu verlegen.

(3) Ein Abgeordneter darf nicht mehr als zwei dringliche Anfragen unterstützen, diein derselben Sitzung eingebracht werden.

(4) In der Debatte dürfen nur Beschlußanträge gestellt werden. Der Präsident kann die Abstimmung über sie auf den Beginn der nächsten Sitzung verlegen.

(5) In der Debatte über dringliche Anfragen darf kein Redner länger als 20 Minuten sprechen.

§ 36. (1) Bittschriften und andere Eingaben an den Landtag sind nur dann anzunehmen, wenn sie von einem Mitgliede des Landtages überreicht werden. Sie werden weder verlesen noch in Druck gelegt.

(2) Diese Schriftstücke gehören nicht zu den Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Landtages im Sinne des Artikels 14 der gemeinsamen Landesverfassung.

Ordnungsbestimmungen.

§ 37. (1) Abschweifungen von der Sache ziehen den Ruf des Präsidenten "zur Sache" nach sich.

(2) Nach dem dritten Rufe "zur Sache" kann der Präsident dem Redner das Wort entziehen.

(3) Wurde einem Redner wegen Abschweifung vom Gegenstande das Wort entzogen, so kann der Landtag, ohne daß eine Debatte stattzufinden hat, erklären, daß er den Redner dennoch hören wolle.

§ 38. (1) Wenn ein Abgeordneter bei den Verhandlungen des Landtages den Anstand oder dei Sitte verletzt oder eine außerhalb des Landtages stehende Persönlichkeit beleidigt, so spricht der Präsident die Mißbilligung darüber durch den Ruf "zur Ordnung" aus.

(2) Der Präsident kann in diesem Falle die Rede unterbrechen und dem Redner das Wort auch völlig entziehen.

(3) Wenn der Präsident den Redner unterbricht, so hat dieser sofort innezuhalten, widrigenfalls ihm das Wort entzogen werden kann.

§ 39. (1) Wer zur Teilnahme an der Verhandlung berechtigt ist, kann vom Präsidenten den Ruf "zur Sache" oder "zur Ordnung" verlangen. Der Präsident entscheidet hierüber ohne Berufung an den Landtag.

(2) Falls ein Abgeordneter durch seine Rede Anlaß zum Ordnungsruf gegeben hat, kann dieser vom Präsidenten des Landtages auch am Schlusse derselben Sitzung oder am Beginne der nächsten nachträglich ausgesprochen und auch von jedem zur Teilnahme an der Verhandlung Berechtigten gefordert werden.

Verhandlungssprache.

§ 40. Die deutsche Sprache ist die ausschließliche Verhandlungs- und Geschäftssprache des Landtages und seiner Ausschüsse.

Entschädigungen für die Mitglieder des Landtages.

§ 41. Die Mitglieder des Landtages von Niederösterreich erhalten eine Entschädigung, die für die Kurie Land den Landtag von Niederösterreich-Land und für die Kurie der Stadt der Wiener Gemeinderat als Landtag bestimmen. Diese Entschädigungen werden von jedem Landesteile aus seinen Mitteln bezahlt (Artikel 12, Gem. L. V.).

Verkehr nach außen.

§ 42. Abordnungen werden weder in die Sitzungen des Landtages noch in die seiner Ausschüsse zugelassen.

§ 43. Nach außen verkehren der Landtag und seine Ausschüsse nur durch den Präsidenten des Landtages.

Geschäftsordnungsgesetz und autonome Geschäftsordnung.

§ 44. (1) Die Geschäftsführung des Landtages erfolgt auf Grund eines besonderen gemeinsamen Landesgesetzes und einer im Rahmen dieses Gesetzes vom Landtage zu beschließenden autonomen Geschäftsordnung. Das Gesetz über die Geschäftsordnung kann nur bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder jeder der beiden Kurien und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen oder abgeändert werden (Artikel 11, Gem. L. V.).

(2) Anträge auf Abänderung der Geschäftsordnung müssen selbständig eingebracht und nach besonderer Behandlung der Beschlußfassung unterzogen werden.

(3) Solche Anträge sind nach Durchführung einer ersten Lesung einer Ausschußberatung zu unterziehen. Der Ausschuß hat schriftlich Bericht zu erstatten, worauf eine zweite Lesung im Landtag und frühestens 24 Stunden nach Abschluß der zweiten Lesung die Abstimmung im ganzen stattfinden.

§ 45. Die Geschäftsordnung des Landtages bleibt solange in Kraft, als sie nicht durch einen Beschluß des jetzigen oder eines neuen Landtages abgeändert ist.

§ 46. Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Kundmachung in Wirksamkeit.

Der Präsident des Landtages:
Seitz

Der Landeshauptmann von Niederösterreich-Land:
Mayer

Der Bürgermeister der Stadt Wien als Landeshauptmann:
Neumann


Quellen: Landesgesetzblatt für Niederösterreich-Land, Jahrgang 1921 Nr. 191
© 7. Mai 2006
Home           Zurück           Top