Gesetz
vom 30. Juli 1867,
über die Behandlung umfangreicher Gesetze im Reichsrathe.

(R.G.Bl. 41/1867)

Mit Zustimmung der beiden Häuser des Reichsrathes finde Ich anzuordnen, wie folgt.

§ 1. Umfangreiche, verfassungsmäßig an den Reichsrath gelangende Gesetzentwürfe können der Behandlung nach dem in dem gegenwärtigen Gesetze vorgezeichneten Verfahren unterzogen werden.

§ 2. Zur Anwendung dieses Gesetzes ist in jedem einzelnen Falle der übereinstimmende Beschluß der beiden Häuser des Reichsrathes und die Genehmigung des Kaisers nothwendig.

§ 3. Sind die Beschlüsse beider Häuser vom Kaiser genehmigt, so wählt jedes Haus einen Ausschuß, und es beginnen die Berathungen in dem Ausschusses jenes Hauses, in welchem der Gesetzentwurf zuerst eingebracht wurde.

§ 4. Das Haus kann zunächst beschließen, daß der Ausschuß vorerst seinen Bericht über die im Gesetzentwurfe ausgeführten und im Gesetze auszuführenden Grundsätze zu erstatten habe.

Auch ohne diesen Beschluß kann der Ausschuß, wenn er es für zweckmäßig erachtet, einen solchen Bericht erstatten.

Dieser Bericht ist in beiden Fällen nach der bestehenden Geschäftsordnung zu behandeln.

§ 5. Zur Beschlußfähigkeit des Ausschusses ist erforderlich, daß mindestens zwei Drittheile der stimmfähigen Mitglieder desselben anwesend sind.

§ 6. Jedes Mitglied des betreffenden Hauses hat das Recht, den Ausschußberathungen beizuwohnen.

Ebenso hat jedes Mitglied des betreffenden Hauses das Recht, an den Ausschuß vor der Schlußberathung schriftlich formulirte Anträge zu leiten und dieselben mündlich oder schriftlich zu begründen.

Diese Anträge sind vom Ausschusse in Berathung zu ziehen und ist über jeden derselben abzustimmen.

Die Gründe, welche den Ausschuß bestimmt haben, solche Anträge ganz oder theilweise anzunehmen oder abzulehnen, sind, wenn es der Antragsteller verlangt, im Ausschußberichte bekannt zu geben.

§ 7. Sobald die Schlußberathung des Ausschusses erfolgt ist, erstattet derselbe seinen Bericht an das Haus, welches darüber nach der Geschäftsordnung zu verfahren hat.

§ 8.  Die Beschlüsse werden nach § 10 des Gesetzes vom 31. Juli 1861, über die Geschäftsordnung des Reichsrathes, dem anderen Hause mitgetheilt, und von diesem dann gleichfalls an den bereits gewählten Ausschuß zur Vorberathung gewiesen.

§ 9. Auf die Verhandlungen dieses Ausschusses und des Hauses, in welchem er gewählt wurde, finden die Bestimmungen der §§ 4, 5 und 6 dieses Gesetzes ebenfalls Anwendung.

§ 10. Hat auch der letztere Ausschuß seinen Bericht an das Haus erstattet und stimmen die Beschlüsse der beiden Häuser nicht überein, so hat das im § 11 des Gesetzes über die Geschäftsordnung des Reichsrathes vorgezeichnete Verfahren einzutreten.

§ 11. Jedes der beiden Häuser kann über einen nach den Vorschriften seiner Geschäftsordnung eingebrachten Antrag beschließen, daß die nach dem gegenwärtigen Gesetze gewählten Ausschüsse auch nach der Schließung der Session des Reichsrathes oder während dessen Vertagung in Thätigkeit zu bleiben haben, um hinsichtlich der ihnen zugewiesenen Vorlagen die Arbeiten zu beginnen oder fortzusetzen.

Ein solcher Beschluß bedarf zu seiner Giltigkeit der Genehmigung des Kaisers.

§ 12. Die Wirksamkeit eines über die Dauer der Session oder während der Vertagung des Reichsrathes bestellten Ausschusses hat sich auf die Vorberathung des demselben überwiesenen Gesetzentwurfes zu beschränken.

Der Kaiser hat das Recht, die Sitzungen solcher Ausschüsse aufzuheben oder mit Vorbehalt der Wiedereinberufung der Mitglieder einstweilen einzustellen.

Während der Session von Landtagen, welchen Ausschußmitglieder angehören, sind Sitzungen nicht statt.

§ 13. Bei jedem Zusammentreten des Reichsrathes bleiben die ursprünglich in die Ausschüsse gewählten Mitglieder in Thätigkeit.

Nur jene Mitglieder, deren Mandat für den Reichsrath inzwischen erloschen ist (§ 17, Alinea 3 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung), werden durch Wahl des betreffenden Hauses ersetzt.

§ 14. Ein nach der Session oder während der Vertagung des Reichsrathes thätiger Ausschuß hat das Recht, durch seinen Obmann mit den Mitgliedern und den Chefs der Centralstellen zu verkehren. Auch stehen ihm die übrigen im § 8 des Gesetzes über die Geschäftsordnung angeführten und seinen Mitgliedern die den Mitgliedern des versammelten Reichsrathes in dem Gesetze vom 7. Juni 1861, Nr. 63 R.G.Bl., eingeräumten Rechte zu.

§ 15. Die Bestimmungen des Gesetzes über die Geschäftsordnung des Reichsrathes vom 31. Juli 1861 und der Geschäftsordnungen der beiden Häuser bleiben auch für die Verhandlungen in Kraft, welche in Folge des gegenwärtigen Gesetzes stattfinden, soweit sie durch die Bestimmungen des letzteren nicht abgeändert sind.

    Wien, am 30. Juli 1867.

Franz Joseph

Freiherr von Beust
Graf Taaffe
Freiherr von John
Ritter von Hye

Auf Allerhöchste Anordnung:
Bernhard Ritter von Meyer

Das vorstehende Gesetz gehört eigentlich zum Gesetz R.G.Bl. Nr. 78 von 1861, in Betreff der Geschäftsordnung des Reichsrathes.
 


Quellen: Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Österreich Nr. 41 aus dem Jahr 1867
Staatsgrundgesetze der österreichischen Monarchie, 3. Auflage 1868, k.k. Hof- und Staatsdruckerei
© 29. November  2002
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