Landtags-Wahlordnung
für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns

vom 21. Oktober 1907

aufgehoben durch
Gesetz vom 20. März 1919 (LGBl. Nr. 36)

 

I. Von den Wahlbezirken und Wahlorten.

§ 1. Für die Wahl der Abgeordneten des großen Grundbesitzes bildet das Erzherzogtum Österreich unter der Enns einen Wahlbezirk.

Die Wähler haben in Einem Wahlkörper 16 Abgeordnete zu wählen.

Der Wahlort ist Wien.

§ 2. Die Handels- und Gewerbekammer in Wien hat vier Landtagsabgeordnete zu wählen.

§ 3. Für die Wahl der Abgeordneten der Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens und der Landgemeinden bilden die Ortsgemeinden
1. Wiener-Neustadt;
2. Amstetten, St. Peter in der Au (Markt), Scheibbs, Seitenstetten (Markt), Waidhofen an der Ybbs (Stadt), Ybbs, Ybbsitz;
3. Atzgersdorf, Erlaa bei Wien, Inzersdorf bei Wien, Kaltenleutgeben, Liesing, Siebenhierten (Gerichtsbezirks Liesing), Bösendorf;
4. Baden, Böslau, Weikersdorf, Berndorf, Hirtenberg, St. Veit an der Triesting;
5. Bruck an der Leitha, Hainburg, Mannersdorf (Gerichtsbezirk Bruck an der Leitha), Ebergassing, Fischamend (Markt), Hennersdorf, Alt-Kettenhof, Neu-Kettehof, Klein-Neusiedl, Rannersdorf, Schwechat;
6. Horn, Eggenburg, Geras, Pulkan, Langenlois;
7. Oberhollabrunn, Retz (Stadt), Haugsdorf, Maissau, Ravelsbach (Unter-), Stockerau;
8. Krems, Mautern, Stein;
9. Mödling, Perchtoldsdorf, Gupoldskirchen;
10. Mistelbach, Feldsberg, Laas, Poysdorf, Zistersdorf;
11. Neunkirchen, Ebenfurth, Felixdorf, Lichtenwörth, Ebreichsdorf, Gramatneusiedl, Pottendorf;
12. St. Polten, Herzogenburg, Melk, Pöchlarn;
13. Gloggnitz, Reichenau, Puchberg am Schneeberg, Aspang (Markt), Aspang (Amt);
14. Tulln, Klosterneuburg, Weidling, Königstetten, Korneuburg;
15. Waidhofen an der Thaya, Groß-Siegharts, Dietmannd (Gerichtsbezirk Waidhofen an der Thaya), Litschau, Weitra, Aalfang, Böhmzeil, Brand (Gerichtsbezirk Schrems), Erdweis, Gmünd, Hoheneich, Schrems, Niederschrems, Wielands, Kartstein, Zwettl;
ferner die Gerichtsbezirke:
16. Amstetten, Ybbs;
17. Aspang, Kirchschlag;
18. Atzenbrugg, Neulengbach;
19. Baden, Gutenstein, Pottenstein;
20. Bruck an der Leitha, Hainburg, Schwechat;
21. Eggenburg, Gföhl, Horn;
22. Feldsberg, Zistersdorf;
23. Geras, Raabs, Allentsteig;
24. Haag, St. Peter in der Au;
25. Haugsdorf, Laa an der Thaya;
26. Herzogenburg, Melk, Mautern;
27. Korneuburg, Stockerau;
28. Krems, Kirchberg am Wagram;
29. Langenlois, Ravelsbach;
30. Lilienfeld, Hainfeld, Kirchberg an der Pielach;
31. Marchegg, Matzen;
32. Mistebach, Poysdorf;
33. Mödling, Liesing, Purkersdorf;
34. Neunkirchen, Gloggnitz;
35. Oberhollabrunn, Retz;
36. Ottenschlag, Groß-Gerungs;
37. Pöggstall, Persenbeug, Spitz;
38. St. Pölten;
39. Scheibbs, Mank;
40. Schrems, Litschau, Gmünd;
41. Tulln, Klosterneuburg;
42. Waidhofen an der Thaya, Dobersberg;
43. Waidhofen an der Ybbs, Gaming;
44. Wiener-Neustadt, Ebreichsdorf;
45. Wolkersdorf, Groß-Enzersdorf;
46. Zwettl, Weitra,
in jeder Gruppe zusammen je einen Wahlbezirk.

§ 4. In der Wählerklasse der Städte (Märkte, Industrieorte und Orte) außerhalb Wiens und der Landgemeinden ist jede Ortsgemeinde Wahlort.

Die im § 3 bei Festsetzung der Wahlbezirke der Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens in jeder der Gruppen 2 bis 15 zuerst angeführte Ortsgemeinde ist der zur Ermittlung des Gesamtergebnisses der in den einzelnen Wahlorten vollzogenen Wahlhandlungen bestimmte Hauptwahlort des Wahlbezirkes.

§ 5. In den im § 3, Ziffer 16 bis 47, angeführten Wahlbezirken der Landgemeinden bestimmt der Statthalter, welche Ortsgemeinde in denselben Hauptwahlort ist.

§ 6. Jeder der im § 3 angeführten Wahlbezirke hat einen Abgeordneten zu wählen.

In den im § 3, Ziffer 16 bis 46, angeführten Gerichtsbezirken sind die unter die Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens eingereihten Gemeinden (§ 3, Ziffer 1 bis 15) nicht inbegriffen.

Alle Wahlberechtigten eines jeden Wahlortes bilden einen Wahlkörper.

§ 7. Für die Wahl der Abgeordneten der allgemeinen Wählerklasse bilden

a) jeder der 21 Wiener Gemeindebezirke,

b) die Ortsgemeinden, und zwar:
1. Zwettl, Weitra (aus den gleichnamigen Gerichtsbezirken), Dietmans, Groß-Siegharts, Waidhofen an der Thaya (Gerichtsbezirk Waidhofen an der Thaya), Heidenreichstein, Litschau (Gerichtsbezirk Litschau), Böhmzeil, Erdweiß, Gmünd, Hoheneich, Wielands (Gerichtsbezirk Gmünd), Aalfang, Brand, Schrems, Niederschrems (Gerichtsbezirk Schrems), Horn (Gerichtsbezirk Horn), Karlstein, Kautzen (Gerichtsbezirk Dobersberg), Mistelbach, Zistersdorf, Feldsberg, Poysdorf, Laa an der Thaya, Oberhollabrunn (aus den gleichnamigen Gerichtsbezirken), Stadt Retz, Altstadt Retz (Gerichtsbezirk Retz), Krems, Stein (Gerichtsbezirk Krems), Korneuburg, Stockerau (aus den gleichnamigen Gerichtsbezirken);
2. St. Pölten, Herzogenburg (aus den gleichnamigen Gerichtsbezirken), Melk, Pöchlarn (Gerichtsbezirk Melk, Ybbs, Scheibbs, Amstetten (aus den gleichnamigen Gerichtsbezirken), Stadt Waidhofen an der Ybbs, Ybbsitz (Gerichtsbezirk Waidhofen an der Ybbs), Lilienfeld, St. Ägyd am Neuwalde, Hohenberg, Traisen (Gerichtsbezirk Lilienfeld), Hainfeld, St. Veit an der Gölsen, Rohrbach an der Gölsen (Gerichtsbezirk St. Pölten), Klosterneuburg (Gerichtsbezirk Klosterneuburg), Baden, Böslau, Weikersdorf (Gerichtsbezirk Baden), Mödling (aus dem gleichnamigen Gerichtsbezirke), Berndorf, Fahrafeld, Grillenberg, Hernstein, Hirtenberg, Pottenstein, St. Veit an der Triesting, Weißenbach an der Triesting (Gerichtsbezirk Pottenstein);
3. Bruck an der Leitha, Schwechat, Hainburg (aus den gleichnamigen Gerichtsbezirken), Liesing, Atzgersdorf, Erlaa bei Wien, Inzersdorf bei Wien, Kaltenleutgeben, Siebenhierten, Vösendorf (Gerichtsbezirk Liesing), Mannersdorf (Gerichtsbezirk Bruck an der Leitha), Ebergassing, Fischamend (Markt), Hennersdorf, Altkettenhof, Neukettenhof, Klein-Neusiedl, Rannersdorf (Gerichtsbezirk Schwechat), Wiener-Neudorf (Gerichtsbezirk Mödling), Wiener-Neustadt, Brunn am Steinfelde, Ebenfurth, Eggendorf, Erlach, Felixdorf, Lichtenwörth, Oberpiesting, Unterpiesting, Sollenau, Steinabrückl, Wöllersdorf, Freistetten, Muthmannsdorf (Gerichtsbezirk Wiener-Neustadt), Ebreichsdorf, Gramat-Neusiedl, Pottendorf, Trumau, Unter-Waltersdorf (Gerichtsbezirk Ebreichsdorf), Günselsdorf, Kottingbrunn, Leobersdorf, Schönau, Teesdorf, Traiskirchen (Gerichtsbezirk Baden), Neunkirchen, Dunkelstein, St. Johann am Steinfelde, Pitten, Puchberg am Schneeberge, Rohrbach am Steinfelde (Gerichtsbezirk Neunkirchen), Buchbach, Gloggnitz, Potschach, Reichenau, Wimpassing (Gerichtsbezirk Gloggnitz);

c) die Gerichtsbezirke:
1. Amstetten, Ybbs, Mank, Haag, St. Peter in der Au, Waidhofen an der Ybbs, Melk, Maitern, Herzogenburg;
2. Hainfeld, St. Pölten, Kirchberg an der Pielach, Tulln, Atzenbrugg, Neulengbach. Lilienfeld, Scheibbs, Gaming;
3. Wiener-Neustadt, Pottenstein, Ebreichsdorf, Baden, Gutenstein, Neunkirchen, Gloggnitz, Aspang, Kirchschlag, Mödling, Liesing, Purkersdorf, Klosterneuburg, Schwechat, Bruck an der Leitha, Hainburg;
4. Kornneuburg, Groß-Enzersdorf, Wolkersdorf, Kirchberg am Wagram, Stockerau, Mistelbach, Matzen, Marchegg;
5. Feldsberg, Zistersdorf, Haugsdorf, Laa an der Thaya, Poysdorf, Oberhollabrunn, Ravelsbach, Retz;
6. Horn, Geras, Gföhl, Langenlois, Eggenburg, Krems, Spitz, Pöggstall, Persenbeug, Ottenschlag;
7. Waidhofen an der Thaya, Dobersberg, Gmünd, Litschau, Schrems, Weitra, Zwettl, Groß-Gerungs, Raabs, Allentsteig

in jeder Gruppe zusammen je einen Wahlbezirk.

§ 8. In den Wahlbezirken der allgemeinen Wählerklasse ist in Wien jeder Gemeindebezirk, sonst jede Ortsgemeinde Wahlort.

Von den im § 7 a angeführten Wiener Gemeindebezirken wählt der I. Gemeindebezirk sechs, der III. und IV. Gemeindebezirk je vier, der VI., VII., IX. und XVIII. Gemeindebezirk je drei, der II., V., VIII., X., XIII., XVI., XVII. und XIX. Gemeindebezirk je zwei, und alle übrigen Gemeindebezirke je einen Abgeordneten.

Von den im § 7 b und c angeführten Wahlbezirken hat jeder einen Abgeordneten zu wählen.

Die im § 7 b, Ziffer 1 bis 3, zuerst angeführte Ortsgemeinde ist der zur Ermittlung des Gesamtergebnisses der in den einzelnen Wahlorten vollzogenen Wahlhandlungen bestimmte Hauptwahlort des Wahlbezirkes.

In den im § 7 c, Ziffer 1 bis 7 angeführten Wahlbezirken bestimmt der Statthalter, welche Ortsgemeinde Hauptwahlort ist.

§ 9. In den im § 7 c, Ziffer 1 bis 7 angeführten Gerichtsbezirken sind die im § 7 b, Ziffer 1 bis 3, angeführten Gemeinden nicht inbegriffen.

§ 10. Alle in den früheren Paragraphen angeführten Ortsgemeinden, Gerichts- oder Wiener Gemeindebezirke sind nach dem bei der Vornahme der Wahl bestehenden Gebietsumfange aufzufassen. Im Falle der Bildung eines neuen Gerichts- oder Wiener Gemeindebezirkes haben bis zur Erlassung eines die Landtagswahlordnung, §§ 3 und 7, abändernden Gesetzes die Wahlberechtigten des neuen gerichts- oder Wiener Gemeindebezirkes ihr Wahlrecht in dem Wahlbezirke auszuüben, dem sie bisher angehörten.

II. Von dem Wahlrecht und der Wählbarkeit.

§ 11. Die Abgeordneten des großen Grundbesitzes sind von den männlichen oder weiblichen Besitzern jener landtäflichen Güter, deren Jahresschuldigkeit an landesfürstlichen Realsteuern wenigstens 400 K(ronen) beträgt, durch direkte Wahl zu wählen. Wahlberechtigt sind jene eigenberechtigten Personen, die das 24. Lebensjahr vollstreckt haben, österreichische Staatsbürger sind und nicht gemäß § 18 von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind.

§ 12. Unter mehreren Mitbesitzern eines zur Wahl berechtigenden landtäflichen Gutes kann nur derjenige aus ihnen wählen, welchen sie dazu ermächtigen.

Der Besitz zweier oder mehrerer landtäflicher Güter, deren Jahresschuldigkeit an landesfürstlichen Realsteuern zusammengenommen wenigstens 400 K beträgt, berechtigt ebenfalls zur Wahl.

§ 13. Für jene zur Wahl berechtigenden landtäflichen Güter, in deren Besitz eine Korporation oder Gesellschaft sich befindet, ist das Wahlrecht durch jene Person auszuüben, welche nach den bestehenden gesetzlichen oder gesellschaftlichen Normen berufen ist, die Korporation oder Gesellschaft nach außen zu vertreten, insofern diese Person das 24. Lebensjahr vollstreckt hat, eigenberechtigt ist, dem österreichischen Staatsverbande angehört und von der Wählbarkeit zum Landtage gemäß § 18 nicht ausgeschlossen ist.

Gemeinden, welche sich im Besitze von zur Wahl berechtigten landtäflichen Gütern befinden, können als solche dieses Wahlrecht nicht ausüben.

§ 14. Die Abgeordneten der im § 3 aufgeführten Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens und der Landgemeinden sind durch direkte Wahl aller jener eigenberechtigten männlichen Personen zu wählen, welche am Tage der Ausschreibung der Wahl die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, das 24. Lebensjahr vollendet haben und in Gemeinden vier oder drei Wahlkörpern im I., II. oder III. Wahlkörper, in Gemeinden mit weniger als drei Wahlkörpern nach ihrer persönlichen Eigenschaft das aktive Wahlrecht besitzen oder denen seit wenigstens einem Jahre mindestens 10 K an Grund-, Gebäude-, Erwerb-, Renten- oder Besoldungssteuer oder mehr als 20 K an Personaleinkommensteuer vorgeschrieben wurde, die Personaleinkommensteuerpflichtigen nur dann, wenn sie die Steuer für das der Wahlausschreibung vorangegangene Kalenderjahr tatsächlich entrichtet haben.

Alle diese Personen sind jedoch nur dann wahlberechtigt, wenn sie nach den Bestimmungen der betreffenden Gemeindewahlordnungen oder nach anderen gesetzlichen Bestimmungen vom Wahlrechte zur Gemeindevertretung nicht ausgeschlossen oder ausgenommen sind.

§ 15. In der allgemeinen Wählerklasse sind wahlberechtigt alle Personen männlichen Geschlechtes, welche am Tage der Ausschreibung der Wahl das 24. Lebensjahr zurückgelegt haben, eigenberechtigt sind, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und weder nach den Bestimmungen der betreffenden Gemeindewahlordnungen noch nach anderen gesetzlichen Bestimmungen vom Wahlrechte zur Gemeindevertretung ausgenommen oder ausgeschlossen sind, sofern sie
a) in Wien seit mindestens drei Jahren ihren Wohnsitz haben,
b) außerhalb Wiens in jeder Gemeinde, in welcher das Wahlrecht auszuüben ist, Gemeindemitglieder sind und seit mindestens drei Jahren ihren Wohnsitz haben.

§ 16. Jeder Wähler kann sein Wahlrecht nur in einem Wahlbezirke, und nur persönlich ausüben.

Ausnahmsweise können Wahlberechtigte der Wählerklasse des großen Grundbesitzes ihr Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben. Derselbe muß in dieser Wählerklasse wahlberechtigt sein und er darf nur einen Wahlberechtigten vertreten.

Wer in der Wählerklasse des großen Grundbesitzes wahlberechtigt ist, darf in keinem der im § 3 angeführten Wahlbezirke wählen.

Ist ein Wahlberechtigter der Wählerklassen der Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens und der Landgemeinden und der allgemeinen Wählerklasse Mitglied mehrerer Gemeinden, so übt er das Wahlrecht bloß in der Gemeinde seines ordentlichen Wohnsitzes.

Wohl aber steht den in der Wählerklasse des großen Grundbesitzes und in der Wählerklasse der Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens und der Landgemeinden Wahlberechtigten auch noch außerdem das Wahlrecht in der allgemeinen Wählerklasse zu, falls sie in der Gemeinde, in welcher das Wahlrecht auszuüben ist, am Tage der Ausschreibung der Wahl seit mindestens drei Jahren ihren Wohnsitz haben.

§ 17. Als Landtagsabgeordneter ist jeder wählbar, welcher:
a) österreichischer Staatsbürger männlichen Geschlechtes,
b) dreißig Jahre alt ist,
c) im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte sich befindet, und
d) in einer Wählerklasse des Landes, nämlich entweder in jener des großen Grundbesitzes, oder in jener der Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens und der Landgemeinden oder aber in der allgemeinen Wählerklasse zur Wahl der Landtagsabgeordneten nach den Bestimmungen der vorausgehenden §§ 11 bis 15 wahlberechtigt ist.

Diese Erfordernisse der Wählbarkeit gelten auch für die Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammern.

§ 18. Von der Wählbarkeit zum Landtage sind unbeschadet sonstiger gesetzlicher Bestimmungen diejenigen Personen ausgeschlossen, welche wegen eiens Verbrechens oder wegen der Übertretung des Diebstahls, der Veruntreuung, der Teilnahme hieran oder des Betruges (§§ 460, 461, 463, 464 Strafgesetz) zu einer Strafe verurteilt worden sind.

Diese Folge der Verurteilung hat bei den im § 6 unter Z. 1 bis 10 des Gesetzes vom 15. November 1867, R. G. Bl. Nr. 131, aufgezählten Verbrechen mit dem Ende der Strafe, bei anderen Verbrechen mit dem Ablaufe von zehn Jahren, wenn der Schuldige zu einer wenigstens fünfjährigen Strafe verurteilt wurde und außerdem mit dem Ablaufe von fünf Jahren, bei den oben angeführten Übertretungen aber mit dem Ablaufe von drei Jahren nach dem Ende der Strafe aufzuhören.

Personen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet worden ist, sind während der Dauer der Konkursverhandlung zu Landtagsabgeordneten nicht wählbar (§ 17, lit. c, L.W.O.).

III. Von der Ausschreibung und Vorbereitung der Wahlen.

§ 19. Die Aufforderung zur Vornahme der Wahl geschieht in der Regel durch Erlässe des Statthalters, welche den Tag, an dem die Wahl der Landtagsabgeordneten in den durch diese Wahlordnung bestimmten Wahlorten vorzunehmen ist, zu enthalten haben.

Die Festsetzung des Wahltages hat derart zu geschehen, daß alle nöthigen Vorbereitungen vor Eintritt desselben beendet werden können.

§ 20. Die Ausschreibung allgemeiner Wahlen für den Landtag hat in der Art zu geschehen, daß zuerst die Abgeordneten der allgemeinen Wählerklasse, dann die Abgeordneten der Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens und der Landgemeinden und endlich die Abgeordneten des großen Grundbesitzes und der Handels- und Gewerbekammern gewählt und daß die Wahlen für jede dieser Wählerklassen im ganzen Lande an dem nämlichen Tage vorgenommen werden.

§ 21. Die Ausschreibung allgemeiner Wahlen ist durch die amtliche Landeszeitung und durch Plakate in allen Gemeinden des Erzherzogtumes Österreich unter der Enns bekanntzumachen.

Die Ausschreibung einzelner Wahlen ist bezüglich der Wählerklasse des großen Grundbesitzes durch die amtliche Landeszeitung, bezüglich der Wählerklassen der Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens und der Landgemeinden und der allgemeinen Wählerklasse durch Plakate in den den Wahlbezirk bildenden Gemeinden zu verlautbaren.

§ 22. Alle Wahlberechtigten, welche nach den Bestimmungen dieser Wahlordnung einen Wahlkörper bilden, sind in eine besondere Liste einzutragen.

Die Wählerliste jedes Wahlkörpers ist von dem zu deren Anfertigung berufenen Organe in Evidenz zu erhalten, und behufs der Vornahme der Wahl in zwei Parien auszufertigen.

§ 23. Die Wählerliste für den Wahlkörper des großen Grundbesitzes ist vom Statthalter auszufertigen und durch Einschaltung in die amtliche Landeszeitung unter Anberaumung einer vierzehntägigen, vom Tage der Kundmachung zu berechnenden Reklamationsfrist zu verlautbaren.

Reklamationen, die nach Ablauf der Frist erfolgen, sind als verspätet zurückzuweisen.

§ 24. Über die Reklamationen, welche die Aufnahme von Nichtwahlberechtigten oder die Weglassung von Wahlberechtigten betreffen, hat endgültig der Statthalter zu entscheiden, dem auch das Recht zusteht, bis zum Wahltermine Berichtigungen der Wählerlisten des großen Grundbesitzes von Amtswegen vorzunehmen.

§ 25. Sobald diese Wählerliste nach erfolgter Entscheidung über die rechtzeitig eingebrachten Reklamationen richtiggestellt ist, werden für die einzelnen Wähler Legitimationskarten ausgefertigt, welche die fortlaufende Nummer der Wählerliste, den Namen und Wohnort des Wahlberechtigten, den Ort, den Tag und die Stunde der Wahlhandlung zu enthalten haben.

Wahlberechtigten, welche im Lande Österreich unter der Enns wohnen, sind ihre Legitimationskarten zuzusenden, die außerhalb Österreich unter der Enns wohnenden Wahlberechtigten sind zur Erhebung ihrer Legitimationskarten durch die amtliche Landeszeitung aufzufordern.

§ 26. Die Liste der Wähler in jedem der Wiener Gemeindebezirke, dann in jeder Ortsgemeinde der in dem §§ 3 und 7 b und c angeführten Wahlbezirke ist von deren Gemeindevorstande mit genauer Beachtung der Bestimmungen der §§ 14, 15 und 16 zu verfassen. Die Listen hat der Gemeindevorsteher im Amtslokale der Gemeinde zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Gleichzeitig ist diese Auflegung unter Anberaumung einer vierzehntägigen, vom Tage der geschehenen Kundmachung zu berechnenden Reklamationsfrist öffentlich bekannt zu machen.

In Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern muß die Wählerliste an jedem Tage mindestens durch acht Stunden zur Einsicht aufgelegt werden; überdies ist die Wählerliste in einer den eingelaufenen Anmeldungen entsprechenden Anzahl zu vervielfältigen und auf Verlangen jedermann gegen Ersatz der entfallenden Herstellungskosten auszufolgen.

Wer die Ausfolgung einer vervielfältigten Wählerliste beansprucht, hat dies dem Gemeindevorsteher binnen acht Tagen nach Ausschreibung der Wahl anzuzeigen und zugleich eine Sicherstellung zu Handen des Gemeindevorstehers zu erlegen; die Höhe dieser Sicherstellung hat in der allgemeinen Wählerklasse höchstens 60 j, in der Wählerklasse der Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens und der Landgemeinden höchstens 20 h für je 1000 Einwohner der betreffenden Gemeinden, beziehungsweise des betreffenden Gemeindeteiles zu betragen, wobei Bruchteile unter 1000 als voll zu rechnen sind; die erfolgte Anmeldung verpflichtet den Anmelder zur Abnahme der von ihm bestellten Exemplare und zur Bezahlung der auf dieselben entfallenden Herstellungskosten.

Nach Ablauf dieser achttägigen Frist einlangende Anmeldungen sind nicht zu berücksichtigen.

Die Ausfolgung der vervielfältigten Listen erfolgt, sofern den obigen Bedingungen entsprochen worden ist, vom Beginne der Reklamationsfrist gegen Bezahlung der nach Abzug der geleisteten Sicherstellung noch restlichen Kosten. Diese Kosten können im Falle des Nichtbezuges der Liste seitens des Anmelders im politischen Exekutionswege eingebracht werden.

Unter denselben Bedingungen sind auch eventuelle Nachträge zu den Wählerlisten auf Verlangen jedermann auszufolgen.

Ein Pare der Liste hat der Gemeindevorsteher an die unmittelbar vorgesetzte landesfürstliche politische Behörde oder an jenen Bezirkshauptmann vorzulegen, welcher vom Statthalter mit der Entscheidung der Reklamationen beauftragt worden ist.

Reklamationen gegen die Wählerliste können von den Wahlberechtigten des betreffenden Wahlkörpers wegen Aufnahme von Nichtwahlberechtigten oder Weglassung von Wahlberechtigten bei dem Gemeindevorsteher eingebracht werden.

Die Reklamationen sind für jeden Reklamationsfall abgesondert einbringen und sind denselben, sofern sie wegen Weglassung von Wahlberechtigten erhoben wurden, die Dokumente anzuschließen, welche zum Nachweise der Wahlberechtigung erforderlich sind.

Reklamationen, bei denen diese Vorschriften nicht beobachtet werden, sind a limine zurückzuweisen.

Die bei dem Gemeindevorsteher einlangenden Reklamationen sind von ihm innerhalb drei Tagen an die unmittelbar vorgesetzte landesfürstliche politische Behörde oder in Städten mit eigenem Statut außer der Reichshauptstadt an jenen Bezirkshauptmann vorzulegen, welchen der Statthalter mit der Reklamationsentscheidung beauftragt.

Über die rechtzeitig eingebrachten Reklamationen entscheidet der Vorsteher der landesfürstlichen politischen Behörde, welchem die Gemeinde unmittelbar unterstellt ist, oder der mit dieser Entscheidung beauftragte Bezirkshauptmann und kann gegen diese Entscheidung innerhalb drei Tagen die Berufung an den Statthalter eingebracht werden.

Die Entscheidung des Statthalters ist in jedem Falle endgültig.

Reklamationen und Berufungen, die nach Ablauf der Frist eingebracht werden, sind als verspätet zurückzuweisen.

Falls durch eine Entscheidung einer Reklamation Folge gegeben wurde, ist die der Entscheidung entsprechende Richtigstellung der Wählerliste in beiden Ausfertigungen vorzunehmen.

Der zur Reklamationsentscheidung berufene landesfürstliche Beamte hat bis acht Tage vor der Wahl etwa notwendige Berichtigungen der Wählerliste von Amtswegen vorzulegen.

Diese Berichtigungen der Wählerliste dürfen sich jedoch nur auf die Streichung solcher Personen erstrecken, bei welchen der Mangel eines Erfordernisses des aktiven Wahlrechtes Platz gegriffen hat oder nachträglich zu Tage getreten ist.

§ 27. Jede nach dem vorangehenden Paragraphen zur Bestätigung der Richtigkeit der Landtagswählerlisten der Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens und der Landgemeinden sowie der allgemeinen Wählerklasse berufene politische Behörde hat den eingetragenen Wählern Legitimationskarten auszufertigen und zuzustellen, welche die fortlaufende Nummer der betreffenden Wählerliste, den Namen und Wohnort des Wahlberechtigten, den Ort, den Tag und die Stunde des Anfangs der Wahlhandlung sowie die Stunde des Schlusses der Stimmgebung zu enthalten haben.

Wenn mehrere Städte (Märkte, Industrialorte und Orte) außerhalb Wiens und Landgemeinden, welche nicht zu derselben Bezirkshauptmannschaft gehören, zu einem Wahlbezirke vereinigt sind, so hat der Vorstand jener Bezirkshauptmannschaft, zu welcher der Hauptwahlort gehört, die zur Ausfüllung der Legitimationskarten nötigen Weisungen über Ort, Tag und Stunde der Wahlhandlung zu erteilen.

In Städten mit eigenen Statuten kann mit der Ausfertigung der Legitimationskarten der Gemeindevorsteher beauftragt werden.

Den Wählern sind die Legitimationskarten in die Wohnung zuzustellen; die Zustellung kann dem Gemeindevorsteher übertragen werden.

Auch sind die Wähler in ortsüblicher Weise aufzufordern, ihre Legitimationskarten in jenen Fällen, in denen sie aus welchem Grunde immer längstens 24 Stunden vor dem Wahltage nicht zugestellt worden wären, persönlich zu erheben. Anstatt verloren gegangener Legitimationskarten sind dem Wahlberechtigten aus sein Verlangen von der zur ersten Ausfertigung berufenen Behörde Duplikate der Legitimationskarten auszufertigen.

§ 28. Die richtig gestellten Wählerlisten jedes Wahlortes sind in doppelter Ausfertigung für die Wahlhandlung vorzubereiten.

IV. Von der Vornahme der Wahl der Landtagsabgeordneten.

§ 29. I. Die Leitung der in Gegenwart eines Wahlkommissärs vorzunehmenden Wahlhandlung jedes Wahlkörpers wird einer Wahlkommission übertragen, welche zu bestehen hat:
1. Für den Wahlkörper des großen Grundbesitzes aus vier von den Wahlberechtigten und drei vom Statthalter aus der Mitte derselben ernannten Mitgliedern, welche sieben Mitglieder den Vorsitzenden aus ihrer Mitte in absoluter Stimmenmehrheit wählen;
2. für jeden Wahlkörper in Wien aus dem Bürgermeister oder dem von ihm bestellten Stellvertreter als Vorsitzenden und aus drei von ihm beigezogenen und drei vom Statthalter bestimmten Wahlberechtigten der Stadt Wien.
    ImBedarfsfalle können auch für jeden Wahlkörper mehrere nach der vorstehenden Anordnung zusammengesetzte Wahlkommissionen bestellt werden. Diese Bestellung erfolgt durch den Bürgermeister unter gleichzeitiger Bestimmung einer dieser Kommissionen zur Hauptwahlkommission und Zuteilung der Wähler in die einzelnen Kommissionen;
3. für die Handels- und Gewerbekammer in Wien nach den für sonstige Wahlen in die Handels- und Gewerbekammer bestehenden Vorschriften;
4. für jeden der in den §§ 3 und 7 b, c angeführten Wahlorte der Städte und Landgemeinden und der allgemeinen Wählerklasse aus je zwei von der Gemeindevertretung des Wahlortes und von dem Wahlkommissär aus den Wählern zu bestimmenden Mitgliedern. Die in der vorbezeichneten Weise bestimmten vier Mitglieder wählen mit absoluter Mehrheit das fünfte Mitglied der Wahlkommission, welches den Vorsitz führt.
    Kommt eine solche Stimmenmehrheit auch bei einem zweiten Wahlgange nicht zu stande, so wird dieses Mitglied vom Wahlkommissär ernannt.
    Im Bedarfsfalle können auch für jeden Wahlkörper mehrere nach der vorstehenden Anordnung zusammengesetzte Wahlkommissionen in den Städten (Märkten, Industrialorten und Orten) außerhalb Wiens und in den Landgemeinden bestellt werden. Diese Bestellung erfolgt durch die politische Bezirksbehörde, in den Städten mit eigenem Statute durch den Statthalter.
    Ist die zur Konstituierung der Wahlkommission erforderliche Anzahl von Wahlberechtigten nicht erschienen, so werden die Funktionen der Wahlkommission bis dahin von dem Wahlkommissär ausgeübt.

II. Die Bestellung der Wahlkommissäre erfolgt für den Großgrundbesitz, die Wiener Gemeindebezirke, die Städte Wiener-Neustadt und Waidhofen an der Ybbs, dann die Handels- und Gewerbekammer durch den Statthalter, für die übrigen Wahlbezirke durch die politische Behörde erster Instanz. Das Amt des Wahlkommissärs ist, unbeschadet der Bestimmungen für öffentliche Beamte hinsichtlich der Reisekosten und Diäten, ein Ehrenamt, zu dessen Annahme jedermann verpflichtet ist.

§ 30. Nur die mit der Legitimationskarte versehenen Wähler haben behufs Abgabe der Stimme Zutritt in das Wahllokal. In dem Gebäude des Wahllokales und im Wahllokale selbst ist während der Dauer der Wahlhandlung jede Art der Wahlagitation untersagt.

§ 31. Der Wahlkommissär hat für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung bei der Wahlhandlung und für die Beobachtung der Bestimmungen der Wahlordnung Sorge zu tragen; er ist insbesondere verpflichtet, dafür zu sorgen, daß der Zugang zum Gebäude des Wahllokales und zum Wahllokale selbst stets freigehalten wird und daß sich die Abgabe der Stimmzettel stets unbehindert vollziehen kann. Wenn die im Wahllokale anwesenden Personen den Fortgang der Wahlhandlung behindern, so ist er berechtigt, nach vorausgegangener fruchtloser Ermahnung die Räumung des Wahllokales zu verfügen und anzuordnen, daß die Wähler nur einzeln in das Wahllokal eingelassen werden.

Dem Wahlakte sind über Wunsch der wahlwerbenden Parteien bis zehn Vertrauensmänner beizuziehen, welche dem Wahlakte bis zur Beendigung desselben beizuwohnen berechtigt sind. Jene wahlwerdenden Parteien, welche die Zulassung von Vertrauensmännern wünschen, haben dies bis spätestens drei Tage vor der Wahl der zuständigen politischen Behörde bekanntzugeben, welche unter tunlichster Berücksichtigung dieser Parteien jeder derselben die entfallende Anzahl von Legitimationen für die Vertrauensmänner ausfolgt; die Vertrauensmänner haben sich am Tage der Wahl beim Wahlkommissär als solche auszuweisen. Dieselben haben lediglich als Zeugen der Wahlhandlung zu fungieren.

§ 32. Wenn jemand gegen die Wahlberechtigung einer in der Wählerliste aufgenommenen Person Einsprache erhebt und behauptet, daß bei ihr seit der Anfertigung der Wählerlisten ein Erfordernis des Wahlrechtes weggefallen sei, so wird darüber von der Wahlkommission und ohne Zulassung eines Rekurses entschieden. Ein solcher Einspruch kann nur insolange erhoben werden, als diejenige Person, deren Wahlberechtigung angefochten wird, ihre Stimme nicht abgegeben hat.

§ 33. Die Abstimmung selbst beginnt damit. daß die Mitglieder der Wahlkommission, insofern sie wahlberechtigt sind, ihre Stimme abgeben.

Hierauf haben die übrigen Wahlberechtigten ihre Stimmen abzugeben und sich deshalb bei der Wahlkommission zu melden.

§ 34. Jeder zur Abstimmung erschienene Wähler hat unter Vorweisung seiner Legitimationskarte seinen Stimmzettel, auf welchem der von ihm Gewählte durch Schrift, Druck oder andere Vervielfältigung namentlich zu bezeichnen ist, der Wahlkommission zu übergeben.

Entfallen auf einen Wahlkörper zwei oder mehrere Abgeordnete, so sind auf dem Stimmzettel so viele Namen zu verzeichnen, als Abgeordnete zu wählen sind.

§ 35. Wenn sich bei der Stimmgebung über die Identität eines Wählers Anstände ergeben, so entscheidet darüber sogleich die Wahlkommission ohne Zulassung eines Rekurses.

§ 36. Die Namen der erscheinenden Wähler werden in das von der Wahlkommission zweifach zu führende Abstimmungsverzeichnis eingetragen.

§ 37. Wahlstimmen, die unter Bedingungen oder mit Beifügung von Aufträgen an den zu Wählenden abgegeben werden, sowie Wahlstimmen, die aufeine von der Wählbarkeit ausgeschlossene Person entfallen sind, sind ungültig.

Über die Gültigkeit oder Ungültigkeit einzelner Wahlstimmen entscheidet sogleich die Wahlkommission ohne Zulassung des Rekurses.

§ 38. Die Wahl, über welche von der Wahlkommission ein Protokoll zu führen ist, muß in der Regel im Laufe des dazu bestimmten Tages vollendet werden. Treten aber Umstände ein. welche den Anfang, Fortgang oder die Beendigung der Wahl verhindern, so kann die Wahlhandlung von der Wahlkommission mit Zustimmung des Wahlkommissärs auf den nächstfolgenden Tag verschoben oder verlängert werden. Die Bekanntmachung darüber hat für die Wähler auf ortsübliche Weise zu geschehen.

§ 39. Nach Ablauf der zur Abgabe der Stimmen festgesetzten Zeit ist von dem Vorsitzenden der Wahlkommission die Stimmengebung für geschlossen zu erklären. Es dürfen jedoch Wähler, welche vor Ablauf der bestimmten Schlußstunde im Wahllokale erschienen und daselbst beim Schlusse der Abstimmung anwesend sind, von der Stimmgebung nicht ausgeschlossen werden. Sohin ist nach erhobener Übereinstimmung der Zahl der in den Abstimmungsverzeichnissen eingetragener Wähler mit jener der vorhandenen Stimmzettel zur Eröffnung der letzteren und zur Stimmenzählung zu schreiten.

Die Namen der in jedem Stimmzettel zu Abgeordneten bezeichneten Personen sind von dem Vorsitzenden öffentlich abzulesen und von einem Mitgliede der Wahlkommission in die Stimmlisten derart einzutragen, daß bei der ersten Stimme, die jemand als Abgeordneter erhält, dessen Namen in die entsprechende Rubrik eingeschrieben und daneben die Zahl 1, bei der zweiten Stimme, die auf ihn entfällt, die Zahl 2 u. s. w. beigesetzt wird.

Gleichzeitig werden die genannten Namen auf dieselbe Weise auch in der von einem anderen Wahlkommissionsmitgliede zu führenden Gegenliste verzeichnet.

Enthält ein Stimmzettel mehr Namen, als Abgeordnete zu wählen sind, so sind über diese Zahl auf den Stimmzettel zuletzt angesetzte Namen als nicht verzeichnet zu betrachten und unberücksichtigt zu lassen. Sind jedoch weniger Namen auf dem Stimmzettel angeführt, so verliert er deshalb seine Gültigkeit nicht. Ist der Name einer und derselben Person auf einem und demselben Stimmzettel mehrmals verzeichnet, so wird er bei der Zählung der Stimmen nur einmal gerechnet.

Namen, bei welchen es zweifelhaft ist, welche Personen mit demselben bezeichnet werden, sind ungültig.

Die Entscheidung hierüber steht der Wahlkommission zu und ist im Wahlprotokolle zu erwähnen.

§ 40. Nachdem die Unterfertigung der Abstimmungsverzeichnisse erfolgt, die Skrutinirung vorgenommen und das Resultat der vollendeten Stimmengebung von dem Vorsitzenden der Wahlkommission bekanntgegeben worden ist, wird in dem Falle, als das Gesamtergebnis der in mehreren Wahlkommissionen eines Wahlkörpers in Wien in einer Hauptwahlkommission oder der in den einzelnen Wahlorten außer Wien vollzogenen Wahlhandlungen an einem Hauptwahlorte zu ermitteln ist, das über die Wahlhandlung angeführte Protokoll geschlossen, von den Mitgliedern der Wahlkommission und dem Wahlkommissär unterschrieben, gemeinschaftlich unter Anschluß der Abstimmungsverzeichnisse und sonstigen Bezugsakten versiegelt, mit einer den Inhalt bezeichnenden Aufschrift versehen, in Wien dem Wahlkommissär der Hauptwahlkommission und außer Wien dem Wahlkommissär übergeben, welcher die Akten an den Vorstand jener Bezirkshauptmannschaft einzusenden hat, zu welcher der Hauptwahlort gehört.

§ 41. In den im vorigen Paragraphen vorausgesetzten Fällen obliegt, nachdem die Abstimmung in den Wahlkommissionen eines Wahlkörpers in Wien und in allen an demselben Wahlakte teilnehmenden Orten außer Wien beendet ist, die Ermittlung und Kundgebung des Gesamtergebnisses aller Abstimmungsakte einer Hauptwahlkommission, welche zu diesem Ende die von den einzelnen Wahlkommissionen eingesendeten Akten zu übernehmen hat.

In Wien erfolgt diese Ermittlung und Kundgebung des Gesamtergebnisses aller Abstimmungsakte durch die für den betreffenden Wahlkörper von dem Bürgermeister als Hauptwahlkommission bestimmte Kommission in ihrer im § 29, I. Punkt 2, bestimmten Zusammensetzung.

Außer Wien versammelt sich die Hauptwahlkommission in Gegenwart eines Wahlkommissärs in dem Hauptwahlorte und hat aus sieben Mitgliedern, nämlich dem Bürgermeister (Gemeindevorsteher) oder dessen Stellvertreter und zwei Mitgliedern der Gemeindevertretung des Hauptwahlortes, dann aus drei vovm Wahlkommissär ernannten, an der Wahl beteiligten Wahlberechtigten zu bestehen. Das siebente Mitglied wird nachden Bestimmungne des § 29, I. Punkt 4, gewählt oder ernannt. Der Vorsitzende der Hauptwahlkommission wird von den Kommissionsmitgliedern ausihrer Mitte ernannt.

In beiden Fällen hat jeder an der Wahlbeteiligte Wahlberechtigte Zutritt in das Lokal der Hauptwahlkommission.

§ 42. Als gewählter Abgeordneter ist derjenige anzusehen, dessen Stimmenzahl die Hälfte der Zahl der abgegebenen gültigen Stimmzettel übersteigt.

Wenn mehr Personen, als zu wählen sind, eine absolute Stimmenmehrheit für sich haben, so entscheidet die überwiegende Stimmenzahl oder bei gleicher Stimmenzahl das von dem Vorsitzenden der Wahlkommission zu ziehende Los darüber, wer von ihnen als gewählt anzusehen sei.

§ 43. Kommt bei dem Abstimmungsakte für einen oder den anderen zu wählenden Abgeordneten keine solche Stimmenmehrheit zu stande, so wird zu der engeren Wahl geschritten.

Zeigt sich der Mangel der erforderlichen Stimmenmehrheit im Falle des § 41 bei der durch die Hauptwahlkommission vorgenommenen Ermittlung des Gesamtergebnisses, so veranlaßt in Wien der Statthalter und außer Wien der Bezirkshauptmann, beziehungsweise in Wiener-Neustadt und Waidhofen an der Ybbs (Stadt) der vom Statthalter hiezu bestimmte Bezirkshauptmann in allen betreffenden Wahlorten die engere Wahl, deren Gesamtergebnis gleichfalls aus den Abstimmungsakten der einzelnen Wahlkommissionen durch die Hauptwahlkommission zu ermitteln ist.

§ 44. Bei der engeren Wahl haben die Wähler sich auf jene Personen zu beschränken, die bei der ersten Wahl nach denjenigen,  welche die absolute Mehrheit erlangten, die relativ meisten Stimmen für sich hatten.

Die Zahl der in die engere Wahl zu bringenden Personen ist immer die doppelte von der Zahl der noch zu wählenden Abgeordneten. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Vorsitzenden der Wahlkommission zu ziehende Los, wer in die engere Wahl zu bringen sei.

Jede Stimme, welche beim dritten Wahlgange auf eine nicht die engere Wahl gebrachte Person fällt, ist als ungültig zu betrachten.

Sind bei der engeren Wahl alle abgegebenen gültigen Stimmen zwischen sämtlichen in die Wahl gebrachten Personen gleich geteilt,k so daß jede von ihnen die Hälfte aller Stimmen für sich hat, so entscheidet das von dem Vorsitzenden der Wahlkommission zu ziehende Los, wer von ihnen als gewählt anzusehen sei.

Insoweit außer diesem Falle die absolute Stimmenmehrheit nicht erzielt wird, ist die engere Wahl fortzusetzen, bis hinsichtlich aller zu wählenden Abgeordneten die absolute Stimmenmehrheit oder die obgedachte gleiche Teilung der Stimmen zwischen allen in die engere Wahl gebrachten Personen erreicht ist, in welch letzterem Falle schließlich das vom Vorsitzenden der Wahlkommission zu ziehende Los entscheidet.

Wahlberechtigte sind deshalb, weil sie bei einem früheren Wahlgange ihr Stimmrecht nicht ausgeübt haben, bei dem folgenden Wahlgange von der Ausübung dieses Rechtes nicht ausgeschlossen.

§ 45. Wenn die erforderliche Anzahl Abgeordneter gehörig gewählt ist, wird das über die Wahlhandlung geführte Protokoll geschlossen, von den Mitgliedern der Wahlkommission und dem Wahlkommissär unterschrieben, gemeinschaftlich unter Anschluß aller Stimmzettel versiegelt, mit einer den Inhalt bezeichnenden Aufschrift versehen und dem Wahlkommissär zur Einsendung an den Statthalter übergeben.

Das Protokoll, welches von der Hauptwahlkommission in den Fällen des § 41 über die Ermittlung des Gesamtergebnisses der einzelnen Wahlhandlungen aufgenommen wurde, ist von allen Mitgliedern der Hauptwahlkommission zu unterfertigen und mit allen im § 40 bezeichneten Akten versehen und versiegelt dem Wahlkommissär zur Einsendung an den Statthalter zu übergeben.

§ 46. Der Statthalter hat nach Einsichtnahme der an ihn gelangten Wahlakten jedem gewählten Abgeordneten, gegen den nicht einer der durch § 18 dieses Gesetzes normierten Ausschließungsgründe von der Wählbarkeit vorliegt, ein Wahlzertifikat ausfertigen und zustellen zu lassen.

Dieses Zertifikat berechtigt den gewählten Abgeordneten zum Eintritte in den Landtag und begründet in solange die Vermutung der Gültigkeit seiner Wahl, bis das Gegenteil erkannt ist.

§ 47. Sämtliche Wahlakten hat der Statthalter an den Landesausschuß zu leiten, welcher dieselben zu prüfen und darüber an den Landtag zu berichten hat, dem die Entscheidung über die Zulassung der Gewählten zusteht (§ 31 L.O.).

§ 48. Wenn Doppelwahlen vorkommen, so hat der Gewählte längstens acht Tage nach Zusammentritt des neugewählten Landtages, im Falle einer Ersatzwahl nach Eröffnung des betreffenden Sessionsabschnittes, zu erklären, welche Wahl er annimmt.

Erfolgt eine solche Erklärung in dieser Frist nicht, so ist durch vom Landmarschall in öffentlicher Sitzung vorgenommene Auslosung zu entscheiden, für welchen Wahlbezirk die Wahl zu gelten hat. Bezüglich des freiwerdenden Wahlbezirkes ist eine Neuwahl auszuschreiben.

§ 49. Wenn außer dem Falle allgemeiner Neuwahlen binnen sechs Monaten nach der Wahl eines Abgeordneten die Notwendigkeit einer Neuwahl an seine Stelle eintritt, so ist sie auf Grund der bei der letztvorausgegangenen Wahl benützten Wählerlisten vorzunehmen, insoweit nicht die Wahl des Abgeordneten eben wegen der Unrichtigkeit dieser Listen für ungültig erklärt worden ist.

V. Schlußbestimmung.

§ 50. Jeder auf Abänderung der Landtagswahlordnung oder der mit dem Gesetze vom 23. Juli 1904, L. G. u. V. Bl. für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns Nr. 76, erlassenen Gemeindewahlordnung für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns abzielende Antrag ist unbedingt der Vorberatung durch einen Ausschuß (§ 35 L.O.) zu unterziehen und bedarf zur Beschlußfassung der Zustimmung von mindestens 64 Abgeordneten.

Ein solcher Antrag ist nach Durchberatung im Landtage nicht vor Ablauf von vier Tagen einer Schlußabstimmung zu unterziehen, bis zu welcher jede Kurie berechtigt ist, gegen den Antrag Einspruch ist der Antrag abgelehnt.

Ein derartiger Einspruch muß längstens am dritten Tage nach der Beratung im Landtage innerhalb der Kurie mittels einfacher Majorität beschlossen und durch den Obmann der Landmarschall unter Vorlage des Abstimmungsprotokolles spätestens vor Einleitung der Schlußabstimmung bekanntgegeben werden.

Ein derartiger Einspruch kann auch längstens am dritten Tage nach Einbringung eines auf Änderung der Landtagswahlordnung oder der mit dem Gesetze vom 23. Juli 1904, L. G. u. V. Bl. für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns Nr. 76, erlassenen Gemeindewahlordnung für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns abzielenden Antrages mittels einfacher Majorität innerhalb der Kurie beschlossen werden und ist durch den Obmann dem Landmarschall spätestens am vierten Tage nach Einbringung des Antrages bekannzugeben.

Vor Ablauf dieser First kann ein Antrag auf Änderung der Landtagswahlordnung oder der mit dem Gesetze vom 23. Juli 1904, L. G. u. V. Bl. für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns Nr. 76, erlassenen Gemeindewahlordnung für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns im Landtage nicht zur Verhandlung gelangen.
 


Quellen: Landesgesetz- und Verordnungsblatt für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns, Jahrgang 1907 Nr. 131
© 23. April 2006 - 28. April 2006
Home           Zurück           Top