Gesetz
vom 11. April 1907
womit in Gemäßheit des § 4 der mit dem Gesetze vom 26. Januar 1907 (R. G. Bl. Nr. 17) erlassenen Reichsratswahlordnung im Erzherzogtums Österreich ob der Enns die Wahlpflicht eingeführt wird.

 

Über den Antrag des Landtages Meines Erzherzogtums Österreich ob der Enns finde Ich anzuordnen wie folgt:

§ 1.  Jeder in Gemäßheit des § 4 der Reichsratswahlordnung im Erzherzogtume Österreich ob der Enns Wahlberechtigte hat die Pflicht, bei den im Erzherzogtume Österreich ob der Enns stattfindenden Wahlen der Mitglieder des Abgeordnetenhauses des Reichsrates an den festgesetzten Wahltagen innerhalb der für die Stimmabgabe vorgeschriebenen zeit vor der Wahlkommission zu erscheinen und seinen Stimmzettel abzugeben (Wahlpflicht).

§ 2. Wer sich ohne einen gerechtfertigten Entschuldigungsgrund seiner Wahlpflicht entzieht, wird an Geld mit 1 bis 50 K bestraft.

Für entschuldigt gilt ein Wähler, bei dem unter billiger Berücksichtigung aller Verhältnisse mit Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden kann, daß er dem Wahlakte lediglich fern blieb, um sich der Wahlpflicht zu entziehen.

§ 3. Die Ausübung des Strafrechtes steht der politischen Bezirksbehörde des Wahlortes zu.

§ 4. Die Gemeindevorsteher (Bürgermeister) haben anläßlich der Vorbereitung der Wahlen (§ 33 R. R. W. O.) eine dritte Ausfertigung der Wählerliste anzulegen, in welche sämtliche in der Wählerliste vorzunehmenden Richtigstellungen durchzuführen sind.

Diese dritte Ausfertigung ist gleichzeitig mit den Wahlakten der Wahlkommission zu übermitteln.

Bei der Wahl ist in dieser Ausfertigung abgesondert für die Wahl und für die engere Wahl in der hiefür vorbereiteten Rubrik ersichtlich zu machen, daß der Wähler erschienen ist und seinen Stimmzettel abgegeben hat.

Die Nichtzulassung eines Wählers zur Stimmabgabe wegen Mangels der Konstatierung seiner Identität ist in der obigen Ausfertigung besonders anzumerken.

Die Ausfertigung ist ebenso wie die Wahlakten zu unterfertigen und an die politische Bezirksbehörde des Wahlortes einzusenden. Der Wahlkommissär hat eingelaufene schriftliche Entschuldigungen entgegenzunehmen und dieselben sofort nach der Wahlhandlung der politischen Bezirksbehörde des Wahlortes vorzulegen.

Die Wahlkommission ist berechtigt, in einem von den Wahlakten abgesonderten Bericht das Vorhandensein ihr bekannter Entschuldigungsgründe, z. B. Krankheit, Verkehrsstörung, Verhinderung durch unaufschiebbare Berufspflichten u. s. w., festzustellen.

§ 5. Die politische Bezirksbehörde fertigt auf Grund der im § 4 erwähnten Liste für jeden Wahlberechtigten, welchem die Legitimation zugestellt worden ist und welcher sich an der Wahl oder an der engeren Wahl nicht beteiligt hat, eine Strafverfügung aus, falls sie nicht die auf Grund des § 4, letzter Absatz, an sie gelangte Entschuldigung als genügend erachtet, oder wenn der Wahlberechtigte die Nichtausübung seines Wahlrechtes nicht innerhalb der Fallfrist von 14 Tagen nach dem Wahltage beziehungsweise nach der engeren Wahl bei der zuständigen politischen Bezirksbehörde mündlich oder schriftlich entschuldigt und das Vorhandensein eines Entschuldigugnsgrundes ausreichend dargetan hat, oder wenn der Entschuldigungsgrund nicht der politischen Behörde bekannt ist.

§ 6. Dem durch die Strafverfügung Betroffenen steht es frei, wenn er sich durch die Strafverfügung beschwert erachtet, innerhalb einer 14tägigen Frist, von der Zustellung der Verfügung an gerechnet, seinen Einspruch dagegen bei der politischen Bezirksbehörde, welche die Verfügung ausgefertigt hat, oder bei der Aufenthaltsgemeinde mündlich oder schriftlich anzumelden.

Findet die politische Bezirksbehörde das Strafmandat nicht sofort aufzuheben, so ist das Strafverfahren nach den allgemeinen Vorschriften für das Verfahren in den zur Amtshandlung der politischen Behörden gehörigen Übertretungsfällen durchzuführen. Hiebei darf jedoch über die in der Strafverfügung verhängte Strafe nicht hinausgegangen werden.

Wenn der durch die Strafverfügung Betroffene den Einspruch gegen die Strafverfügung nicht rechtzeitig anmeldet, so findet gegen die Strafverfügung kein anderes Rechtsmittel statt und erwächst dieselbe in Rechtskraft.

§ 7. Die Geldstrafen werden im Wege der politischen Exekution eingebracht. Eine Umwandlung der Geldstrafen in Arreststrafen findet nicht statt.

Die Geldstrafen fließen in den Armenfonds der Gemeinde des Wahlortes.

§ 8. Die wesentlichen Bestimmungen dieses Gesetzes sind durch acht Tage vor der Wahl mittels öffentlichen Anschlages und auf sonst ortsübliche Weise in allen Gemeinden jener Wahlbezirke, in welchen die Wahlen stattzufinden haben, zu verlautbaren.

§ 9. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Kundmachung in Wirksamkeit.

§ 10. Mein Minister des Innern ist mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt.

    Wien, am 11. April 1907

Franz Joseph

Vienerth.


Quellen:  Landes- und Gesetzblatt für das Erzherzogtum ob der Enns Jg. 1907 Nr. 8 Seite 17
© 17. Mai 2008


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