Provisorische Verfassung des Landes Steiermark
vom 6. November 1918
kundgemacht in den Kapiteln II und III des Beschlusses der Provisorischen Landesversammlung der Steiermark vom 6. November 1918 (LGBl. Nr. 78/1918).
aufgehoben und ersetzt durch
das Gesetz vom 6. Dezember 1918, womit eine
Landesordnung für das Land Steiermark erlassen wird
(LGBl.
Nr. 50/1919).
Bis zu diesem Zeitpunkte, wo die konstituierende Nationalversammlung von Deutschösterreich die Verfassung und Verwaltung für den ganzen Staat neu regelt und das Land als freie Provinz des Staates einrichtet, gibt sich das Land Steiermark die folgende provisorische Verfassung:
1. Dem Lande Steiermark kommen alle Rechte und Pflichten zu, die nach den bisher geltenden Gesetzen den ehemaligen im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern durch das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 und die nachfolgenden Verfassungsgesetze zuerkannt worden sind.
2. Die auf Grund der Vereinbarung der politischen Parteien entsendeten 60 Abgeordneten bilden den provisorischen Landtag.
Der Landtag wird vom Landeshauptmann nach seinem freien Entschluß oder, wenn ein Viertel der Abgeordneten es erfordert, einberufen. Sitz des Landtages und der Landesregierung bleibt die Stadt Graz. Sie wird hiemit als Landeshauptstadt erklärt.
3. Der Provisorische Landtag bestellt aus seiner Mitte in einem Wahlgang den Landes-Ausschuß. Dieser Landes-Ausschuß besteht aus zwölf Mitgliedern und wählt aus seiner Mitte den Landeshauptmann und zwei Stellvertreter.
4. Die Landesverwaltung wird ungeteilt vom Landes-Ausschuß und der Landesregierung geführt. Die bisherige Scheidung von landesfürstlicher und autonomer Verwaltung ist für das Gebiet dieses Landes aufgehoben. Der Wirkungskreis der bisherigen k. k. Statthalterei geht auf die Landesregierung über.
5. Die bisher zu der autonomen Verwaltung gezählten Verwaltungsaufgaben werden von der Vollversammlung auf Grund der ständigen Berichterstattung je eines Beisitzers des Landes-Ausschusses geführt.
Die bisher sogenannte landesfürstliche Verwaltung obliegt der Landesregierung. Diese besteht aus dem Landeshauptmann und seinen beiden Stellvertretern. Alle drei sind mit gleichen Rechten ausgestattet und entscheiden gemeinsam.
Die Landesregierung und der Landes-Ausschuß sind dem Landtage für ihre Geschäftsführung verantwortlich, soweit sie nicht im bloßen Vollzuge von Gesetzen oder von auf Grund von Gesetzen, gesetzlich erlassenen Verordnungen, Verfügungen und Weisungen handelt (Punkt 7.)
6. Die finanzielle Gebarung des Landes-Ausschusses unterliegt der Kontrolle durch einen aus dem Landtage bestellten ständigen Kontrollausschuß von 6 Mitgliedern. Außerdem ist der Landes-Ausschuß verpflichtet, der Staatsregierung von Deutschösterreich alljährlich Rechnung zu legen.
7. Die Landesregierung und der Landes-Ausschuß sind an die Gesetze, Verordnungen, Verfügungen und andere Erkenntnisse, die von der Nationalversammlung wie von ihren Vollzugsorganen ausgehen, gebunden.
8. Dem Landes-Ausschusse und der Landesregierung sind die Bezirkshauptmannschaften und sämtliche Verwaltungsorgane in Bezirk und Gemeinde untergeordnet und sind an ihre Verordnungen, Verfügungen, Weisungen und Erkenntnisse gebunden. Die Einrichtung und Zuständigkeit der Lokalverwaltungsorgane wird durch ein besonderes Landesgesetz provisorisch geregelt werden.
Übergangsbestimmungen.
1. Die im Siedlungsgebiete der slowenischen Nation gelegenen, allein oder überwiegend von den Deutschen bewohnten Gebietsteile des ehemaligen Herzogtumes Steiermark, bleiben einstweilen im steirischen Landtage vertreten.
2. Die Entscheidung über die Grenzen zwischen dem jugoslawischen Staate und dem deutschen Lande Steiermark, sowie über die politischen und nationalen Rechte der deutschen Bewohner der slowenischen Gebietsteile bleibt der völkerrechtlichen Vereinbarung zwischen dem deutschösterreichischen und dem jugoslawischen Staate, beziehungsweise dem Friedenskongresse vorbehalten.
Graz, am 6. November 1918.
Einspinner. Hagenhofer. Pongratz.
Quellen:
Landesgesetz- und Verordnungsblatt für das Land Steiermark Jg. 1918 Nr.
78 S- 231
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