Kaiserliches Patent
vom 20. October 1860 (R.G.Bl. Nr. 227/1860),
womit das Statut über die Landesvertretung im Herzogthume Steiermark erlassen wird.

ist nie in Wirksamkeit gekommen

aufgehoben und ersetzt durch
das Kaiserliche Patent vom 26. Februar 1861 ("Februarpatent").
 

Wir Franz Joseph der Erste,
von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich;

König von Hungarn und Böhmen, König der Lombardei und Venedigs, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illirien, König von Jerusalem ect.; Erzherzog von Österreich; Großherzog von Toscana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steyer, Kärnthen, Krain und der Bukowina, Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Nieder-Schlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska, Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg ect.; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark, Großwoiwod der Woiwodschaft Serbien ect. ect.;

haben nach Vernehmung Unserer Minister und nach Anhörung Unseres Reichsrathes beschlossen, das beiliegende Statut über die Landesvertretung für Unser Herzogthum Steiermark zu erlassen und zu verordnen, wie folgt:

1. Es ist Unser Wille, daß die zur Acitivirung des steiermärkischen Landtages erforderlichen Einleitungen sofort getroffen werden, und die Zusammenberufung des Landtages thunlichst bald ermöglichet werde.

2. Die zur Besorgung laufender ständischer Anlegenheiten in Steiermark bestehenden ständischen Verordneten- und Ausschußcollegien haben ihre Wirksamkeit in der bisherigen Art und so lange fortzusetzen, bis nach der Einberufung des Landtages die Übergabe der Geschäfte an den neuen ständigen Landtagsausschuß stattgefunden haben wird.

3. Wir behalten Uns vor, bei besonderen Veranlassungen zur feierlichen Repräsentation des Landes nebst den Landtagsmitgliedern die Inhaber der Landeserbämter, die zur Vertretung im Landtage berechtigten kirchlichen Würdenträger und die Häupter der begüterten ständischen Adelsfamilien, dann die Vorsteher der zur Vertretung im Landtage berechtigten Städte und eine angemessene Anzahl der Vorsteher der übrigen Gemeinden des Landes um Unsere Person zu versammeln.

4. Wir gestatten, daß die ein landtäfliches Gut in Steiermark besitzenden Mitglieder der mit dem dortigen Incolate betheiligten Adelsfamilien sich der bisher üblichen ständischen Uniform bedienen.

5. Mit der Vollziehung dieses Patentes ist Unser Minister des Innern beauftragt.

    Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien den 20. October im Eintausend achthundert Sechzigsten, Unserer Reiche im zwölften Jahre.

Franz Joseph

Graf von Rechberg.            Graf von Goluchowski

Auf Allerhöchste Anordnung:
Freih. v. Ransonnet.

 

Statut über die Landesvertretung des Herzogthums Steiermark.

Erstes Hauptstück.
Zusammensetzung des Landtages.

§ 1. Im Herzogthume Steiermark hat als Landesvertretung zur Berathung und Besorgung der in diesem Statute bezeichneten Landesangelegenheiten der Landtag und der ständigen Landtagsausschuß zu bestehen.

§ 2. Der Landtag besteht aus Vertretern
A. der Geistlichkeit,
B. des begüterten Adels und des sonstigen großen Grundbesitzes,
C. der Städte, sowie der Handels- und Gewerbekammern, und
D. der übrigen Gemeinden.

§ 3. Zur Vertretung im Landtage berechtiget sind:
A. Aus der Geistlichkeit:
    die Fürstbischöfe von Seckau und von Lavant,
    der Abt des Benedictinerstiftes St. Lambrecht,
    der Abt des Cisterzienserstiftes zu Rein,
    der Abt des regulirten Chorherrenstiftes zu Vorau,
    der Domprobst des Seckauer Domcapitels,
    der Domprobst des Lavanter Domcapitels,
    der Probst der Stadtpfarre zu Graz,
    der Probst der Stadtpfarre zu Bruck,
    der Probst der Stadtpfarre zu Cilly.
B. Aus dem begüterten Adel und sonstigen großen Grundbesitze:
    a) die Besitzer der landtäflichen Güter in Steiermark, welche davon wenigstens Zweihundert Gulden Realsteuer jährlich entrichten;
    b) die Mitglieder der mit der Landstandschaft in Steiermark betheilten Familien, welche daselbst ein landtäfliches Gut besitzen.
C. Die landesfürstlichen Städte:
    Graz, Marburg, Cilly, Bruck, Judenburg, Leoben, Knittelfeld, Friedberg, Fürstenfeld, Radkersburg, Voitzsberg, Rann, Windisch-Freistritz, Windischgraz, Pettau, dann die Handels- und Gewerbekammern von Graz und Leoben.
D. Alle übrigen Gemeinden des Herzogthums Steiermark.

§ 4. Der Landtag besteht unter der Leitung und dem Vorsitze des vom Kaiser ernannten Präsidenten, der als solchen den Titel Landeshauptmann zu führen hat, aus zweiundvierzig Mitgliedern.

§ 5. Der Landtag hat über Allerhöchste Einberufung in der Regel jährlich Einmal und zwar, in soferne vom Kaiser nicht etwas Anderes bestimmt wird, in der Landeshauptstadt Graz zusammenzutreten.

§ 6. Im Allgemeinen wird erfordert, daß die Mitglieder des Landtages:
a) die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen;
b) sich im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte befinden, und
c) das dreißigste Lebensjahr vollendet haben.

Die sonstigen besonderen Erfordernisse werden in den §§ 10, 11, 12 festgestellt.

§ 7. Das Entfallen eines allgemeinen oder besonderen Erfordernisses zieht den Verlust des Rechtes der Theilnahme am Landtage nach sich.

§ 8. Vom Wahlrechte und der Wählbarkeit zum Landtage sind ausgeschlossen:
a) Personen, welche eines Verbrechens oder Vergehens, oder einer aus Gewinnsucht oder gegen die öffentliche Sittlichkeit begangenen Übertretung schuldig erkannt, oder wegen eines Verbrechens oder Vergehens, oder wegen einer aus Gewinnsucht begangenen Übertretung bloß aus Unzulänglichkeit der Beweismittel von der Anklage freigesprochen worden sind;
b) Personen, welche wegen einer der zu a) bezeichneten strafbaren Handlungen in Untersuchung gezogen worden sind, in solange diese Untersuchung dauert; und
c) Personen, über deren Vermögen der Concurs eröffnet oder das Vergleichsverfahren eingeleitet wurde, in solange die Concurs- oder Vergleichsverhandlung dauert, und nach Beendigung der Verhandlung, wenn sie hieran nicht für schuldlos erkannt worden sind.

§ 9. Aus der Geistlichkeit haben Sitz und Stimme im Landtage:
    die Fürstbischöfe von Seckau und Lavant,
    zwei von den Äbten von Admont, St. Lambrecht, Rein und Vorau, und zwei von den Dompröbsten des Seckauer und des Lavanter Domcapitels, und von den drei Probsten der Stadtpfarren zu Graz, Bruck und Cilly, aus ihrer Mitte gewählte Abgeordnete.

§ 10. Die landtäflichen Besitzer (§ 3, B) wählen aus ihrer Mitte zwölf Abgeordnete in den Landtag; davon müssen wenigstens acht dem mit der Landstandschaft in Steiermark betheilten Adel angehören, und wenigstens vier an Realsteuer vom landtäflichen Gutsbesitze zweihundert Gulden oder mehr entrichten.

§ 11. Für die Städte nehmen Theil am Landtage:
    Zwei Abgeordnete der Stadt Graz,
    Ein Abgeordneter der Stadt Marburg,
    Ein Abgeordneter der Stadt Bruck,
    Ein Abgeordneter der Städte Fürstenfeld und Friedberg,
    Ein Abgeordneter der Städte Pettau und Radkersburg,
    Zwei Abgeordnete der Städte Leoben, Judenburg, Knittelfeld und Voitsberg, und
    Zwei Abgeordnete der Städte Cilly, Rann, Windisch-Freistritz und Windischgraz.

Die Mitglieder der Handels- und Gewerbekammer zu Graz und zu Leoben wählen je Einen Abgeordneten in den Landtag.

Für die Vertreter der Städte ist neben den allgemeinen Eigenschaften (§ 6) erforderlich, daß dieselben der Gemeindevertretung einer Stadt oder einer der Städte, welche sie zu vertreten haben, als Mitglieder angehören.

Die Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammern müssen für dem Stande derselben als Wählbare angehören, in deren Gebiethe wohnen, und mindestens Einhundert Gulden an directer Steuer im Kammerbezirke entrichten.

§ 12. Die übrigen Gemeinden wählen in den Landtag zwölf Abgeordnete, und zwar:
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Graz (Umgebung), Voitsberg, Frohnleiten;
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Wildon, Stainz, Kirchbach, Deutsch-Landsberg;
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Fürstenfeld, Gleisdorf, Fehring, Feldbach und Radkersburg;
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Leibnitz, Arnfels, Eibiswald und Murek;
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Hartberg, Vorau, Friedberg, Pöllau, Birkfeld und Waitz;
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Pettau, Ober-Radkersburg, Luttenberg, Friedau und St. Leonhard;
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Marburg, Windisch-Freistritz, Gonobitz, Mahrenberg;
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Cilly, Windischgraz, Schönstein, Oberburg und Franz;
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Rann, Lichtenwald, Tüffer, Frachenburg, Erlachstein und Rohitsch;
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Bruck. Leoben, Eisenerz, Mautern, Mariazell, Mürzzuschlag, Kindberg und Aflenz;
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Judenburg, Knittelfeld, Obdach, Neumarkt, Oberwölz, Oberzeiring und Murau, und
    Einen Abgeordneten für die Bezirke Lietzen, Rottenmann, Aussee, St. Galle, Irdning, Gröbming und Schladming.

Die Vertreter der Gemeinden müssen die allgemeinen Eigenschaften (§ 6) der Wahlfähigkeit besitzen, in einer Gemeinde ihres Wahlbezirkes für die Gemeindevertretung wählbar sein und in diesem Bezirke einen Grundbesitz haben, von welchem wenigstens dreißig Gulden Realsteuern jährlich zu entrichten sind.

§ 13. Die Fürstbischöfe von Seckau und von Lavant können sich in Verhinderungsfällen durch ihre dem Diöcesan-Curatclerus entnommenen Delegaten beim Landtage vertreten lassen.

Für alle gewählten Abgeordneten werden, gleichzeitig mit ihrer Wahl, auch die Wahlen ihrer Stellvertreter vorgenommen, und für diese gelten hinsichtlich der Wählbarkeit und der Wahl die nämlichen Bestimmungen, wie für die Abgeordneten.

Für die landtäflichen Gutsbesitzer werden sechs Stellvertreter, wovon wenigstens vier dem landständischen Adel (§ 3, B b) und wenigstens zwei dem größeren Grundbesitze (§ 3, B a) angehören müssen, für die Stadt Graz und für jene Städte, welche zusammen zwei Abgeordnete in den Landtag senden, je Ein Stellvertreter und sonst für jeden Abgeordneten Ein Stellvertreter gewählt.

§ 14. Die zur Vertretung im Landtage berechtigten (§ 3, lit. B) landtäflichen Gutsbesitzer, welche österreichische Staatsbürger, großjährig und im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte sind, werden zur Vornahme der Wahl vom ständigen Landtagsausschusse eingeladen, nachdem vorläufig das Verzeichniß der Stimmfähigen und Wählbaren nach den beiden in dem § 3, B. bezeichneten Kategorien verlautbart worden, und die für allfällige Reclamationen bestimmte Frist verstrichen ist.

Die Abgabe der Stimmen erfolgt mittelst Einsendung verschlossener Wahlzettel, welche die Namen der zu wählenden Abgeordneten und Stellvertreter enthalten.

Die Wahlzettel werden vom ständigen Landtagsausschusse eröffnet und verzeichnet.

Die relative Stimmenmehrheit entscheidet; Diejenigen, welche in der betreffenden Kategorie die meisten Stimmen erhalten, sind als Abgeordnete, Jene mit der nächstfolgenden Stimmenzahlen aber als Stellvertreter anzusehen.

Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.

§ 15. Die Vertreter der Städte Graz, Marburg und Bruck werden vom Gemeinderathe gewählt.

Zur Wahl der Abgeordneten und Stellvertreter für die übrigen im § 11 bezeichneten Städte haben je drei von der Gemeindevertretung einer jeden dieser Städte aus eigener Mitte gewählte Mitglieder an dem von dem Statthalter zu bestimmenden Orte zusammenzutreten.

Die relative Stimmenmehrheit entscheidet, und bei gleichen Stimmen das Los.

Die Vertreter der Handels- und Gewerbekammern werden von den Mitgliedern der betreffenden Kammern gewählt und die Wahl findet nach den für die Beschlußfähigkeit der Kammer bestehenden Vorschriften Statt.

§ 16. Zur Vornahme der Wahl der übrigen Gemeinden des Landes haben aus jeder Gemeinde des Wahlbezirkes der Gemeindevorsteher und ein vom Gemeindeausschusse aus seiner Mitte gewählten Mitgliede an einem vom Statthalter zu bezeichnenden Orte im Wahlbezirke zusammen zu kommen. Die Wahl geschieht mittelst Stimmzetteln; die relative Stimmenmehrheit genügt; bei gleichen Stimmen entscheidet das Los.

§ 17. Die Funktionsdauer der gewählten Mitglieder des Landtages und ihrer Stellvertreter wird auf sechs Jahre festgestellt.

Mit Ablauf des sechsten Jahres findet die Wahlerneuerung Statt.

Die Abtretenden können wieder gewählt werden.

§ 18. Während der Functionsdauer sind zum Ersatze sowohl der bleibend ausgeschiedenen als der vorübergehend verhinderten Abgeordneten deren Stellvertreter einzuberufen. Bei den Stellvertretern der Abgeordneten des landständischen begüterten Adels und des sonstigen landtäflichen Gutsbesitzes erfolgt die Einberufung in den Landtag nach der Reihenfolge der bei der Wahl erhaltenen Stimmen.

§ 19. Der ständige Landtagsausschuß prüft sämmtliche Wahlprotokolle und berichtet hierüber an den Landtag, welchem hinsichtlich einer allfälligen Ungiltigkeit einzelner Wahlen die Entscheidung zusteht.

§ 20. Welche Landtagsmitglieder eine angemessene Entschädigung aus dem Landesfonde und in welchem betrage erhalten, wird vom Landtage bestimmt.

§ 21. Der Landeshauptmann eröffnet den vom Kaiser einberufenen Landtag, führt den Vorsitz in den Versammlungen und leitet die Berathungen; er schließt den Landtag nach Beendigung der Geschäfte oder zufolge besonderen Allerhöchsten Auftrages.

Der Landtag kann vom Kaiser auch während der Functionsdauer zu jeder Zeit unter Anordnung neuer Wahlen aufgelöst werden.

§ 22. Die Mitglieder des Landtages haben bei ihrem Eintritte dem Kaiser Treue und Gehorsam, Beobachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten in die Hände des Landeshauptmannes an Eidesstatt zu geloben.

§ 23. Der Landtagsausschuß, als verwaltendes und ausführendes Organ der Landesvertretung, besteht unter dem Vorsitze des Landeshauptmannes, aus den vom Landtage aus seiner Mitte gewählten Mitgliedern.

Die Functionsdauer der Ausschußmitglieder ist gleich jener des Landtages, der sie gewählt hat. Sie währt jedoch nach dem Ablaufe der Landtagsdauer, sowie im Falle der Auflösung des Landtages noch so lange fort, bis aus dem neuen Landtage ein anderer Ausschuß bestellt worden ist.

Die Anzahl, Benennung und Bezüge dieser Mitglieder, sowie überhaupt die näheren Bestimmungen über die Einrichtung des ständigen Ausschusses bestimmt der Landtag vorbehaltlich der Genehmigung des Kaisers.

Zweites Hauptstück.
Über die Wirksamkeit des Landtages.

§ 24. Der Landtag ist berechtiget, in den die Wohlfahrt und Bedürfnisse Steiermarks betreffenden Gegenständen nach bestem Wissen und Gewissen die Wünsche oder Beschwerden des Landes auszusprechen, und die Anträge und Bitten entweder unmittelbar oder nach eigenem Ermessen im Wege des Statthalters an den Kaiser gelangen zu lassen.

§ 25. Der Landtag hat die Reichsrathswahlen in Gemäßheit des Patentes vom 5. März 1860 (R. G. Bl. Nr. 56) vorzunehmen und die aus seiner Mitte Gewählten zur kaiserlichen Ernennung vorzuschlagen.

§ 26. Der Landtag ist berufen, über kundgemachte allgemeine Gesetze und Einrichtungen bezüglich ihrer Rückwirkung auf das Wohl des Landes zu berathen und Anträge zu stellen, und bei den in Absicht auf die besonderen Landesverhältnisse zu erlassenden Gesetze mitzuwirken.

§ 27. Der Landtag hat über alle Gegenstände, worüber er von der Regierung zu Rathe gezogen wird, Gutachten und Vorschläge abzugeben.

Er ist berechtigt, in den Angelegenheiten, welche auf die Erfüllung der dem Lande obliegenden öffentlichen Leistungen oder auf die Förderung der geistigen und materiellen Interessen im Lande im Allgemeinen, insbesondere auf die Bodencultur und den Realcredit, auf Industrie und Verkehr, auf gemeinnützige und wohlthätige Anstalten, Unternehmungen und Bauten aus Landesmitteln sich beziehen, zu berathen und mit Beachtung der bestehenden Gesetze und Rechte Beschlüsse zu fassen. Vorschläge, welche auf Änderung der gesetzlichen Vorschriften und Einrichtungen in Landesangelegenheiten abzielen, und Beschlüsse, welche in ihrer Wirkung sich nicht auf das Gebiet der Steiermark beschränken, sind dem Kaiser zur Genehmigung und Entscheidung vorzulegen.

§ 28. Der Landtag sorgt für die Erhaltung des landständischen (Domestical-) Vermögens und des sonstigen nach seiner Entstehung oder Widmung ein Eigenthum Steiermarks bildenden Landesvermögens, dann der aus ständischen Landesmitteln errichteten oder erhaltenen Fonde und Anstalten.

Landtagsbeschlüsse, welche eine Veräußerung, bleibende Belastung oder Verpfändung des Stammvermögens mit sich bringen, bedürfen der kaiserlichen Genehmigung.

§ 29. Der Landtag verwaltet das Domesticalvermögen und das Credits- und Schuldenwesen des Lands und sorgt für die Erfüllung der dießfalls dem Lande obliegenden Verpflichtungen.

Er verwaltet und verwendet den Landesfonds und den Grundentlastungsfond des Herzogthums Steiermark, mit genauer Beachtung der gesetzlichen Widmungen und Zwecke dieser Fonde.

§ 30. Der Landtag berathet und beschließt über die Aufbringung der zur Erfüllung seiner Wirksamkeit für Landeszwecke, für das Vermögen, die Fonde und Anstalten des Landes erforderlichen Mittel, in soferne die Einkünfte des bestehenden Stammvermögens nicht zureichen.

Er ist berechtiget, zu diesem Zwecke Zuschläge zu den directen landesfürstlichen Steuern bis auf zehn Percente derselben umzulegen und einzuheben. Höhere Zuschläge zu einer directen Steuer oder sonstige Landesumlagen bedürfen der kaiserlichen Genehmigung.

§ 31. Die mitwirkende und überwachende Einflußnahme des Landtages in Steuersachen, namentlich in Betreff der Umlegung, Einhebung und Abfuhr der landesfürstlichen directen Steuern wird durch besondere Vorschriften bestimmt.

§ 32. Dem Landtage steht zu die Oberaufsicht über die Gemeinden im Lande nach Maßgabe der Gemeindegesetze.

§ 33. Der Landtag beschließt über die Systemisirung des Personal- und Besoldungsstandes der dem Landtagsausschusse beizugebenden Beamten und Diener, er bestimmt die Art ihrer Ernennung und Disciplinarbehandlung, ihre Ruhe- und Versorgungsgenüsse und die Grundzüge der für ihre Dienstleistung zu ertheilenden Instructionen.

§ 34. Der Landtagsausschuß besorgt die gewöhnlichen Verwaltungsgeschäfte des Landesvermögens, der Landesfonde und Anstalten, und leitet und überwacht die Dienstleistung der ihm untergebenen Beamten und Diener. Er hat hierüber, sowie über die Ausführung der vollziehbaren Landtagsbeschlüsse dem Landtage Rechenschaft zu geben, und Anträge in Landesangelegenheiten für den Landtag über Auftrag desselben oder aus eigenem Antriebe vorzuberathen.

Der Ausschuß vertritt den Landtag in allen Rechtsstreiten; das dem Lande oder den vormaligen Ständen des Landes zustehende Patronats- und Präsentationsrecht, das Vorschlags- oder Ernennungsrecht für Stiftplätze oder Stipendien, das Recht der Aufnahme in ständische Anstalten und Stiftungen wird vom Landtagsausschusse geübt.

Die näheren Weisungen über die diesem Ausschusse zukommenden Geschäfte und über die Art ihrer Besorgung bleibt der vom Landtage zu ertheilenden Instructionen, und in Betreff der Einflußnahme auf Gemeindesachen und auf Angelegenheiten der landesfürstlichen Steuern den besonderen Gemeinde- und Steuergesetzen vorbehalten.

Drittes Hauptstück.
Von der Geschäftsbehandlung.

§ 35. Der über ordnungsgemäße Einberufung versammelte Landtag hat die zu seinem Wirkungskreise gehörigen Angelegenheiten in Sitzungen zu verhandeln und zu erledigen.

Die Sitzungen werden von dem Landeshauptmanne angeordnet, eröffnet und geschlossen.

Der Landeshauptmann bestimmt die zu verhandelnden Gegenstände und deren Reihenfolge.

Wegen Ertheilung von Auskünften und Aufklärungen bei einzelnen Verhandlungen durch Mitglieder der Regierungsbehörden hat der Landeshauptmann sich an deren Vorgesetzte zu wenden.

§ 36. Die einzelnen Berathungsgegenstände gelangen vor den Landtag:
a) entweder als Regierungsvorlagen durch den Landeshauptmann,
b) oder als Vorlagen des ständigen Landtagsausschusses oder eines speciellen durch Wahl aus dem Landtage und während desselben gebildeten Ausschusses, oder
c) durch Anträge einzelner Mitglieder.

Selbständige, sich nicht auf eine Vorlage der Regierung oder eines Ausschusses beziehende Anträge einzelner Mitglieder müssen früher dem Landeshauptmanne schriftlich angezeigt und vorläufig der Ausschußberathung unterzogen werden.

Anträge über Gegenstände, welche außerhalb des Geschäftskreises des Landtages liegen, sind durch den Landeshauptmann von der Berathung auszuschließen.

§ 37. Die an den Landtag gelangenden Regierungsvorlagen sind vor allen anderen Berathungsgegenständen in Verhandlung zu nehmen und zu erledigen.

§ 38. Zur Beschlußfassung in dem Landtage ist die Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Gesamtzahl aller Mitglieder, und zur Gilitigkeit eines Beschlusses die absolute Stimmenmehrheit der Anwesenden erforderlich.

Zur Giltigkeit eines auf Änderungen in dem gegenwärtigen Statute abzielenden Antrages wird die Zustimmung von wenigstens zwei Dritteln der Gesammtzahl aller Mitglieder erfordert.

Bei Dienstverleihungen und Wahlen genügt die relative Stimmenmehrheit, wenn nach zweimaliger Abstimmung die absolute nicht erzielt wurde.

Der Landeshauptmann hat das Recht, an der Erörterung Theil zu nehmen und mitzustimmen, bei gleichen Stimmen gibt seine Meinung den Ausschlag.

§ 39. Die Stimmgebung ist in der Regel mündlich; nach dem Ermessen des Landeshauptmannes kann solche auch durch Aufstehen und Sitzenbleiben stattfinden.

Wahlen werden durch Stimmzettel vorgenommen.

§ 40. Die von dem Landtage gepflogenen Verhandlungen sind unter Zulegung der Sitzungsprotokolle im Wege des Statthalters zur Allerhöchsten Kenntniß zu bringen.

Der Landeshauptmann ist, wenn er einen Landtagsbeschluß als dem öffentlichen Wohle oder den bestehenden Gesetzen zuwiderlaufend ansieht, berechtigt und verpflichtet, die Ausführung desselben, in soferne er nicht ohne dieß einer höheren Genehmigung bedarf, zu sistiren; er hat jedoch Fälle dieser Art stets unverzüglich der Allerhöchsten Schlußfassung im Wege des Statthalters zu unterziehen.

§ 41. Der Landtag darf mit keiner Landesvertretung eines anderen Kronlandes in Verkehr treten, auch darf derselbe keine Kundmachungen erlassen.

Deputationen dürfen in die Versammlung des Landtages nicht zugelassen werden.

Die Absendung von Deputationen an das Allerhöchste Hoflager darf nur über vorläufig erwirkte kaiserliche Genehmigung stattfinden.

§ 42. Der Landtag bestimmt die Art der Veröffentlichung der gepflogenen Verhandlungen.

Für Zuhörer bei den einzelnen Landtagssitzungen ertheilt der Landeshauptmann Einzelkarten nach Zulässigkeit des Raumes. - Er hat die Ordnung im Innern der Versammlung und des Sitzungssaales aufrecht zu erhalten.

§ 43. Der ständige Landtagsausschuß darf nur mit dem Landtage, aus dem er hervorgegangen, nicht aber mit der Landesvertretung anderer Kronländer in Verkehr treten, und nur in den ihm übertragenen Verwaltungsangelegenheiten Kundmachungen erlassen.

 


Quellen:  Reichs-Gesetz- und Regierungsblatt für das Kaiserthum Österreich Jg. 1860 Nr. 227
© 11. April 2006 - 19. Juni 2012


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