Gesetz
vom 18. März 1919,
wirksam für das Land Oberösterreich
betreffend die Grundzüge der Landesvertretung.

geändert durch
(Staats-) Gesetz, womit die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wird (Bundesverfassungs-Gesetz) vom 1. Oktober 1920 (BGBl. Nr. 1)
Bundesverfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920 (Verfassungsübergangsgesetz) (BGBl. Nr. 2)
Verfassungsgesetz vom 18. März 1925 (LGBl. Nr. 28 S. 43)

faktisch aufgehoben durch
Gesetz vom 17. Juni 1930, über die Verfassung des Landes Oberösterreich (LGBl. Nr. 38, S. 137)
mit Wirkung vom 11. Oktober 1930

 

Die provisorische Landesversammlung hat beschlossen:

Artikel I. Das Land Oberösterreich übt als selbständige Land alle Rechte aus, welche nicht durch ausdrückliche Vereinbarung der Gewalt eines Bundesstaates übertragen worden sind.

siehe nach dem 1. Oktober 1920 (Inkrafttreten des Bundes-Verfassungsgesetzes) die Art. 2, 10 bis 13 und 15 des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie § 42 des Verfassungsübergangsgesetzes.

Artikel II. Die gesetzgebende und die Vollzugs-Gewalt des Landes stehen der Gesamtheit des oberösterreichischen Volkes zu. Sie werden ausgeübt teils unmittelbar durch Abstimmung des Volkes, teils mittelbar durch Landtag und Landesrat.

Durch Bundesverfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920 (Bundes-Verfassungsgesetz), BGBl. Nr. 2 wurde im Artikel II der "Landesrat" ersetzt durch: "Landesregierung"; siehe Artikel 101 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1920  und § 7 des Verfassungsüberleitungsgesetzes, BGBl. Nr. 2/1920.

Durch Verfassungsgesetz vom 18. März 1925 wurde im Artikel II das Wort "Landesrat" ersetzt durch: "Landesregierung".

Artikel III. Der Landtag wird auf 6 Jahre gewählt. Über die Dauer der Tagung entscheidet der Landtag nach Maßgabe der Geschäftsordnung. Der erste Landtag hat die Aufgabe, die Landesverfassung auf den im Artikel I und II festgelegten Grundlagen zu beschließen.

Artikel IV. Der Landtag besteht aus 72 Abgeordneten, welche auf Grund des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Verhältniswahlrechtes ohne Unterschied des Geschlechtes gemäß der mit dem Gesetze vom 18. März 1919 (L. G. u. V. Bl. Nr. 24) erlassenen Wahlordnung gewählt werden. Werden in der Folgezeit angrenzende Gebiete mit Oberösterreich vereinigt, so vermehrt der Landtag die Anzahl der Abgeordneten im Verhältnisse zu dem Zuwachse der Bevölkerung.

Durch Verfassungsgesetz vom 18. März 1925 erhielt der Artikel IV folgende Fassung:
"Artikel IV. Der Landtag besteht aus 60 Abgeordneten, welche auf Grund des allgemeinen, gleichen, direkten, geheimen Verhältniswahlrechtes ohne Unterschied des Geschlechtes gemäß der Landtagswahlordnung vom 18. März 1919 (L. G. u. V. Bl. Nr. 24) in der Fassung des Gesetzes vom 18. März 1925 (L. G. u. V. Bl. 29) gewählt werden."

Artikel V. Die Wahlen werden über Beschluß des Landesrates durch die Landesregierung auf einen Sonntag ausgeschrieben.

Durch Verfassungsgesetz vom 18. März 1925 wurden im Artikel V die Worte "des Landesrates" ersetzt durch: "der Landesregierung" und die Worte "die Landesregierung" wurde ersetzt durch: "der Landeshauptmann".

Die Wahlen zum XII. Landtag (1. demokratisch gewählter Landtag) wurden zum 18. Mai 1919 ausgeschrieben und durchgeführt, die Wahlen zum XIII. Landtag wurden zum 17. Mai 1925 ausgeschrieben und durchgeführt

Artikel VI. Jeder gewählte Landtagsabgeordnete erhält von der Landeswahlbehörde eine Bescheinigung, welche ihn zum Eintritt in den Landtag berechtigt.

Artikel VII. Die in den Landtag gewählten Abgeordneten werden zur ersten Sitzung vom Landeshauptmann der provisorischen Landesversammlung, in dessen Verhinderung von seinem Stellvertreter, in der Folgezeit von dem Landeshauptmann (beziehungsweise Stellvertreter) der abgelaufenen Wahlzeit (Landtagsperiode) einberufen.

Der Landeshauptmann beziehungsweise dessen Stellvertreter führt den einstweiligen Vorsitz, zu Schriftführern werden vom Vorsitzenden die drei jüngsten Abgeordneten berufen.

Artikel VIII. Nach Vornahme der Prüfung der Wahlen gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung wählt der Landtag mit relativer Mehrheit den Landeshauptmann, welcher sofort nach Annahme der Wahl den Vorsitz übernimmt. Jede der drei mit der größten Zahl von Abgeordneten im Hause vertretenen Parteien oder Gruppen macht je einen Stellvertreter des Landeshauptmannes namhaft.

Sodann werden auf Grund des Verhältniswahlrechtes acht Landesräte und ebensoviele Ersatzmänner gewählt.

Der Landeshauptmann, seine Stellvertreter und die gewählten Landesräte bilden den Landesrat, der Landeshauptmann und seine Stellvertreter die Landesregierung.

Alle Ämterführer werden für die ganze Landtagsperiode gewählt und führen die Geschäfte bis zur Konstituierung des neugewählten Landtages fort.

Durch Verfassungsgesetz vom 18. März 1925 erhielt der Artikel IV folgende Fassung:
"Artikel VIII. Nach Vornahme der Prüfung der Wahlen gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung wählt der Landtag die Landesregierung.
Der Landeshauptmann wird vom Landtag in Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der gewählten Abgeordneten mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt und übernimmt sofort nach Annahme der Wahl den Vorsitz. Sodann werden die drei Landeshauptmannstellvertreter vom Landtag auf Grund von Wahlvorschlägen gewählt; jeder Wahlvorschlag darf die Bezeichnung von höchstens drei Namen enthalten und muß die Unterschrift von mindestens acht Mitgliedern des Landtages tragen.
Von den drei Landeshauptmannstellvertretern entfällt je einer auf jeden der drei Wahlvorschläge, die die größte Anzahl von Unterschriften aufweisen. Werden nur zwei gültige Wahlvorschläge überreicht, werden die drei Stellen auf sie nach dem Verhältniswahlrecht aufgeteilt.
Die übrigen sechs Mitglieder der Landesregierung werden hierauf vom Landtag in einem neuerlichen Wahlgang nach den Grundsätzen des Verhältniswahlverfahrens gewählt.
Weist ein Wahlvorschlag die Unterschriften von der Hälfte der gewählten Abgeordneten auf, so gebühren ihm ohne Hinzurechnung des Landeshauptmannes mindestens fünf Sitze in der Landesregierung, wenn ihm nicht nach dem Verhältniswahlverfahrens eine größere Anzahl von Sitzen zukommt.
Auf die Bestellung einzelner Mitglieder der Landesregierung finden diese Bestimmungen sinngemäße Anwendung.
Die nach dem Verhältniswahlverfahren vorzunehmenden Wahlen sind nach dem in der Landtagswahlordnung festgesetzten Verfahren durchzuführen.
Für jedes Landesregierungsmitglied mit Ausnahme des Landeshauptmannes wird ein Ersatzmann gewählt, der im Falle des Ausscheidens oder einer längeren Beurlaubung des Mitgliedes durch den Landtag vom Landeshauptmann einberufen wird; ist der Landtag nicht versammelt, so ist der Urlaub vom Landeshauptmann zu erteilen.
Die Wahl der Ersatzmänner erfolgt in einem eigenen Wahlgang, wobei die oben festgesetzten Verfahrensarten sinngemäß anzuwenden sind.
Die Landesregierung wird für die Dauer der Gesetzgebungsperiode gewählt.
Die Mitglieder der Landesregierung bleiben auch nach Auflösung des Landtages im Amt, bis der neue Landtag eine neue Landesregierung gewählt und sie die Angelobung geleistet hat.
Die Wahl der neuen Landesregierung hat spätestens in der zweiten Sitzung des neugewählten Landtages zu erfolgen."

Artikel IX. Am Tage der Konstituierung des neugewählten Landtages erlöschen die Mandate der Mitglieder des vorhergehenden Landtages (der provisorischen Landesversammlung).

Durch Verfassungsgesetz vom 18. März 1925 wurde im Artikel IX die Worte "(der provisorischen Landesversammlung)" gestrichen.

 Die Konstituierung des 1. demokratischen Landtags (Landtagsperiode XII seit 1861) erfolgte am 23. Juni 1919; die Konstituierung des XIII. Landtags erfolgte am 2. Juli 1925.

Artikel X. An die Stelle des bisherigen Landesausschusses tritt der Landesrat.

Durch Bundesverfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920 (Bundes-Verfassungsgesetz), BGBl. Nr. 2 wurde im Artikel X der "Landesrat" ersetzt durch: "Landesregierung"; siehe Artikel 101 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1920  und § 7 des Verfassungsüberleitungsgesetzes, BGBl. Nr. 2/1920.

Durch Verfassungsgesetz vom 18. März 1925 wurde im Artikel X das Wort "Landesrat" ersetzt durch: "Landesregierung".

Durch Verfassungsgesetz vom 18. März 1925 wurde an dieser Stelle folgender Artikel eingefügt:
"Artikel Xa. (1) Ein Landtagsabgeordneter wird seines Mandates verlustig:
1. wenn seine Wahl durch den Verfassungsgerichtshof für ungültig erklärt wird;
2. wenn er aus der Partei, in deren Wahlvorschlag er aufgenommen war, ausscheidet;
3. wenn er nach erfolgter Wahl die Wählbarkeit verliert;
4. wenn er durch 30 Tage den Eintritt in den Landtag verzögert hat oder 30 Tage ohne Urlaub oder über die Zeit des Urlaubes von den Sitzungen des Landtages ausgeblieben ist und der nach Ablauf der 30 Tage an ihn öffentlich und im Landtage gerichteten Aufforderung des Vorsitzenden des Landtages, binnen weiteren 30 Tagen zu erscheinen oder seine Abwesenheit zu rechtfertigen, nicht Folge geleistet hat.
(2) In den Fällen 2 bis 4 des ersten Absatzes tritt der Mandatsverlust ein, sobald der Verfassungsgerichtshof ihn ausgesprochen hat (Artikel 141 B. V. G.)."

Artikel XI. Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Kundmachung in Kraft.

Mit dem Vollzug ist die Landesregierung betraut.

Hauser m. p.
Landeshauptmann.

Gruber m. p.
Landeshauptmannstellvertreter.

Langoth m. p.
Landeshauptmannstellvertreter.

Dr. Mayr m. p.
Landeshauptmannstellvertreter.

Das vorstehende Gesetz war, gemeinsam mit der Landesordnung von 1861 die Verfassung Oberösterreichs vom Ende der Monarchie bis zum Erlaß der Landesverfassung von 1930.

Interessant ist
1. die Postulierung der Unabhängigkeit Oberösterreichs (Art. 1)
2. der Landeshauptmann (bisher Vorsitzender des Landtages und des Landesausschusses) bleibt Vorsitzender des Landtages, sowie des Landesrates (als Nachfolgeorgan des Landesausschusses) und der Landesregierung (Landesexekutive, die es bisher so nicht gab). Diese Besonderheit, die aus der Kaiserzeit stammte, wurde auch in die Landesverfassung von 1930 übernommen.
 


Quellen: Landesgesetzblatt für Oberösterreich, Jahrgang 1919 Nr. 23 Seite 69
© 18. Mai 2008 - 21. Mai 2008
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